Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie
Zeitschrift für Theorie und Praxis der Kinder- und Jugendlichen-Psychoanalyse und der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie
Frankfurter Wirksamkeitsstudie zur Psychotherapie bei ADHS
Printausgabe – Heft 164, 45. Jg., 4/2014
Inhalt
Vorwort
Marianne Leuzinger-Bohleber / Birgit Gaertner / Katrin Luise Laezer / Inka Tischer
Psychoanalyse: eine »spezifische Wissenschaft des Unbewussten«
Zum Kommunikationsversuch zwischen klinischer und extraklinischer Forschung in einer Therapiewirksamkeitsstudie zu Kindern mit einem sogenannten »ADHS«
Katrin Luise Laezer / Inka Tischer / Birgit Gaertner / Marianne Leuzinger-Bohleber
Forschungsbericht: Psychoanalytische und verhaltenstherapeutisch/medikamentöse Behandlungen von Kindern mit Desintegrationsstörungen
Ergebnisse der Frankfurter ADHS-Wirksamkeitsstudie
Inka Tischer / Katrin Luise Laezer / Birgit Gaertner / Marianne Leuzinger-Bohleber
Unter der Lupe betrachtet
Eine klinische Beschreibung charakteristischer Belastungsmomente der Kinder der Frankfurter ADHS-Wirksamkeitsstudie
Birgit Gaertner / Katrin Luise Laezer / Inka Tischer / Marianne Leuzinger-Bohleber
Mutter und Kind in depressiver Verklammerung – drei Fallstudien zur frühen Genese des sogenannten ADH-Syndroms sowie der Störung des Sozialverhaltens
Werkstattbericht
Thomas Hüller
Über die Einwirkung einer psychiatrischen ADS-Diagnose auf eine analytische Kinderpsychotherapie
Die Ergebnisse der Frankfurter ADHS-Wirksamkeitsstudie auf einen Blick
Hans Hopf
Nachwort aus der Sicht eines Gutachters
Buchbesprechungen
Die Autorinnen und Autoren des Heftes
Ankündigungen
Psychoanalyse: eine »spezifische Wissenschaft des Unbewussten«
Zum Kommunikationsversuch zwischen klinischer und extraklinischer Forschung in einer Therapiewirksamkeitsstudie zu Kindern mit einem sogenannten »ADHS«
Die Psychoanalyse als »spezifische Wissenschaft des Unbewussten« hat in den gut hundert Jahren ihrer Geschichte eine Vielzahl von klinischen und extraklinischen Forschungsmethoden entwickelt. Der folgende Beitrag plädiert für ein zugleich selbstbewusstes wie selbstkritisches Vertreten dieses Reichtums an Möglichkeiten, unbewusste Phantasien und Konflikte professionell zu untersuchen.
Wie exemplarisch an einer Vergleichsstudie der Ergebnisse von psychoanalytischen und verhaltenstherapeutisch/medikamentösen Therapien von sogenannten »ADHS-Kindern« diskutiert wird, findet psychoanalytische Forschung heute immer in einem extremen Spannungsfeld zwischen einem Rückzug in die Intimität des psychoanalytischen Elfenbeinturms einerseits und einer Überanpassung an ein der Psychoanalyse inadäquates Wissenschaftsverständnis andererseits statt. Dieses Spannungsfeld kann nicht aufgehoben, sondern nur immer wieder neu im interdisziplinären und intergenerationellen Dialog kritisch reflektiert und produktiv gestaltet werden, auch als Schutz vor einer Überanpassung an den jeweils vorherrschenden Zeitgeist.
Schlüsselwörter: Psychoanalytische Therapie, Geschichte der Psychologie, Aufmerksamkeitsstörung mit Hyperaktivität.
Katrin Luise Laezer / Inka Tischer / Birgit Gaertner Marianne Leuzinger-Bohleber
Forschungsbericht: Psychoanalytische und verhaltenstherapeutisch/medikamentöse Behandlungen von Kindern mit Desintegrationsstörungen
Ergebnisse der Frankfurter ADHS-Wirksamkeitsstudie
Der vorliegende Forschungsbericht fasst das Design, die Interventionen, Methoden sowie die zentralen Ergebnisse der Frankfurter ADHS-Wirksamkeitsstudie zusammen. Die Studie untersucht vergleichend die Wirksamkeit psychoanalytischer Langzeittherapien ohne Medikation und verhaltenstherapeutisch/medikamentöser Behandlungen.
Methode: 73 Kinder (58 Jungen und 15 Mädchen) mit der Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) und/oder einer Störung des Sozialverhaltens im Alter zwischen sechs und elf Jahren wurden in die kontrollierte klinische Studie mit einem naturalistischen Design aufgenommen und wissenschaftlich begleitet. Die störungsspezifische Symptomreduktion durchschnittlich 38 Monate nach der Eingangsmessung bildete das primäre Zielkriterium. Signifikante Verbesserungen im Eltern- und Lehrerurteil in den störungsspezifischen Skalen der Conners Eltern- und Lehrer-Fragebögen, der Child Behavior Checklist und der Teacher Report Form sowie die Verbesserung der von den Kindern eingeschätzten Lebensqualität stellten die sekundären Zielkriterien dar.
Ergebnisse: Beide Behandlungsgruppen zeigten hoch signifikante Symptomreduktionen mit keinen signifikanten Unterschieden zwischen den beiden Behandlungsgruppen. In den Eltern- und in den Lehrerurteilen ergaben sich signifikante Verbesserungen über die Zeit auf den Skalen des ADHS-Indexes, des oppositionellen Verhaltens und der Hyperaktivität/Impulsivität sowie in den Skalen der externalisierenden und internalisierenden Verhaltensprobleme. Dabei zeigten beide Gruppen ähnliche Effekte über die Zeit. Die Lebensqualität verbesserte sich für die Kinder in beiden Behandlungsgruppen. Zusammenfassend stützen die Ergebnisse die Hypothese, dass die psychoanalytische Langzeittherapie ohne Medikation ähnliche Behandlungserfolge aufweisen kann wie die verhaltenstherapeutisch/medikamentöse Behandlung. Den Eltern und Kindern steht somit eine alternative Behandlungsmethode zu der weit verbreiteten medikamentösen Behandlung von Kindern mit der Diagnose ADHS und/oder einer Störung des Sozialverhaltens zur Verfügung.
Registrierung der klinischen Studie: DRKS-ID: DRKS00003356,
http://www.drks.de/DRKS00003356
Schlüsselwörter: Aufmerksamkeitsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom, Störung des Sozialverhaltens, psychoanalytische Therapie, psychodynamische Therapie, Verhaltenstherapie, Desintegrationsstörung.
Inka Tischer / Katrin Luise Laezer / Birgit Gaertner / Marianne Leuzinger-Bohleber
Unter der Lupe betrachtet
Eine klinische Beschreibung charakteristischer Belastungsmomente der Kinder der Frankfurter ADHS-Wirksamkeitsstudie
Ziel: Im Rahmen der Frankfurter ADHS-Wirksamkeitsstudie, in welcher psychoanalytische Langzeittherapie und verhaltenstherapeutisch/medikamentöse Therapie bei Kindern mit ADHS und/oder einer Störung des Sozialverhaltens verglichen wird, soll im vorliegenden Bericht über den Wirksamkeitsaspekt hinaus der Frage nachgegangen werden, ob sich bei den Kindern der Stichprobe spezifische Belastungsfaktoren oder Belastungskonstellationen identifizieren lassen und inwieweit diese Momente im Lauf der kindlichen Entwicklung zur Ausbildung der ADH-Symptomatik bzw. der Störung des Sozialverhaltens beitragen.
Methode: Für jedes Kind aus der gesamten Stichprobe der Frankfurter ADHS-Wirksamkeitsstudie (43 Kinder im psychoanalytischen und 30 Kinder im verhaltenstherapeutischen Untersuchungsarm) wurden im Rahmen von Fallkonferenzen die herausragenden belastenden Ereignisse im individuellen Lebensverlauf bis zum Beginn der jeweiligen Therapie zusammengefasst. Für alle 73 Kinder wurde eine Kurzvignette als Zusammenfassung ihrer Lebenssituation von der Geburt bis zur Vorstellung zur Therapie erstellt und Belastungsfaktoren aufgelistet und stichwortartig beschrieben. Fünf Kurzvignetten werden exemplarisch vorgestellt.
Ergebnisse: Es konnte aufgezeigt werden, dass sich die Gruppe der Kinder, die eine analytische Therapie erhalten haben, hinsichtlich ihrer Belastungen nicht von den Kindern, die in der Uni-Klinik vorgestellt wurden, unterscheiden. Auch wird deutlich, in welch hohem Maß die Kinder den Belastungen ihrer Lebensereignisse und/oder denen ihrer Familie ausgesetzt sind.
Schlüsselworte: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom, ADHS, Störung des Sozialverhaltens, Belastungsfaktoren, kritische Lebensereignisse, psychoanalytische Therapie, psychodynamische Therapie, Verhaltenstherapie, Psychotherapieforschung, Wirksamkeitsstudie.
Birgit Gaertner / Katrin Luise Laezer / Inka Tischer Marianne Leuzinger-Bohleber
Mutter und Kind in depressiver Verklammerung – drei Fallstudien zur frühen Genese des sogenannten ADH-Syndroms sowie der Störung des Sozialverhaltens
Ziel: Der Text beschreibt anhand dreier detaillierter Fallstudien die frühe Psychogenese der Symptome des sogenannten Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndroms sowie der Störung des Sozialverhaltens. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der detaillierten Rekonstruktion der psychischen Ausgangsbedingungen der jungen Mütter und ihrer postpartal sich entwickelnden Beziehung zum Kind. Dabei werden die später auftretenden erheblichen psychischen Beeinträchtigungen der Kinder ätiologisch als passgenaue Antworten auf ihre primären Erfahrungen mit psychosozial und psychisch belasteten, depressiven und von den Vätern allein gelassenen Müttern entschlüsselt.
Methode: Auf der Grundlage der in der Frankfurter ADHS-Wirksamkeitsstudie erhobenen quantitativen und qualitativen Daten sowie der Therapieprozessdaten der beschriebenen Kinder und ihrer Familien werden psychoanalytische Fallstudien formuliert, die die lebensgeschichtlichen und psychodynamischen Entstehungsbedingungen der einschlägigen Symptome (»ADHS« sowie Störung des Sozialverhaltens) ätiologisch rekonstruieren. Schließlich werden die Pathogenese sowie die Wirkungen der analytischen Psychotherapie und der begleitenden Elternarbeit auf die Entwicklung der Kinder inhaltlich beschrieben.
Schlüsselwörter: Aufmerksamkeitsstörung mit Hyperaktivität, depressive Stimmung, Psychodynamik, Ätiologie, analytische Kinderpsychotherapie.