Guido Meyer
Psychoanalytische Angstkonzepte – Eine Übersicht über ihre Entwicklungen
Die Auseinandersetzung mit der Angst und ihren zahlreichen Facetten gehört zum genuinen Kernbestand der psychoanalytischen Forschung und Diskussion. Darüber hinaus hat die Beschäftigung mit der Angst als eines komplexen, äußerst vielschichtigen Phänomens der conditio humana, wo »alles in Fluß und Wandlung begriffen [ist]« (Freud, 1933a, S. 99), zu zahlreichen Kontroversen und mehreren Spaltungen in der psychoanalytischen Bewegung geführt, die soweit reichten, dass die jeweiligen Betrachtungsweisen über die Angst sich zu einer Identitätsfrage einer spezifischen psychoanalytischen Orientierung ausgestalteten. Im vorliegenden Text soll eine gedrängte Übersicht über die Entwicklung wesentlicher Angstkonzepte in der Psychoanalyse gegeben werden, wobei hier die Auswahl naturgemäß eine nur sehr begrenzte sein kann. In umfassenderer Form wird diese Thematik in meiner Trilogie mit dem Titel »Konzepte der Angst in der Psychoanalyse« dargelegt und diskutiert, auf die an dieser Stelle für ein näheres Interesse verwiesen werden soll (siehe Meyer, 2005, 2007, 2009).
Schlüsselwörter: Angst, Angststörungen, Triebtheorien, Traumatheorie, Strukturtheorie, Ich-Psychologie, Objektbeziehungstheorien, strukturale Psychoanalyse
Angelika Staehle
Formen der Angst und ihre Transformation in psychoanalytischen Behandlungen von Kindern
In einer theoretischen Einführung wird die Bedeutung von Objektbeziehungen
für die Verarbeitung von Ängsten und den Aufbau der psychischen Struktur ausgearbeitet.
Taucht bei Freud die Objektbezogenheit der Angst zunächst nur im
Zusammenhang mit zu langen Trennungen auf, so wird diese in den Konzeptionen
von Melanie Klein, Bion, Meltzer und Winnicott weiterentwickelt und verändert.
Die Konzepte dieser Autoren zum Stellenwert der Angst werden ausführlich
diskutiert. Es wird dargestellt, wie der biologisch verankerte Affekt der Angst
durch die Einbettung in soziale Beziehungen und ihrer Verarbeitung zu einem
sozialen, bedeutungsgenerierenden Gefühl wird. Verschiedene Formen der Angst,
wie Vernichtungsängste, Trennungsängste, Konfusion zwischen präödipalen und
ödipalen Ängsten, werden in drei ausführlichen Fallbeispielen dargestellt und
ihre Transformation im Verlaufe der Behandlung vermittelt. Abschließend werden
Ausführungen zur Behandlungstechnik vorgestellt. Hervorgehoben wird, wie
wichtig die Förderung der Symbolisierungsfähigkeit in der analytischen Kindertherapie
ist, damit Ängste psychisch gehalten und transformiert werden können.
Der Beitrag schließt mit einem Text von Pontalis zur Bedeutung der Sprache für
die Transformation der Ängste.
Schlüsselwörter: Trauma, Trennungsangst, Vernichtungsangst, ödipale Ängste, Symbolisierungsfähigkeit, Bedeutung von Sprache, Objektbeziehungen, Container-Contained, Transformation.
Arne Burchartz
Übertragungs-Objekt und Beziehungs-Subjekt
Eine Gratwanderung
Nach einigen grundsätzlichen Bemerkungen zur Geschichte und zum Wesen der Übertragung und Gegenübertragung werden neuere Ansätze der Intersubjektivität und der relationalen Psychoanalyse vorgetragen und mit dem Konzept der »traumatisierenden Übertragung« verknüpft, welches anhand eines ausführlichen Fallbeispiels vertieft wird. Die Subjektivität des Analytikers und die Bedeutung seiner eigenen Vitalität und Spontaneität für den analytischen Prozess mit traumatisierten Patienten werden reflektiert, der Begriff des »Agierens« wird kritisch hinterfragt.
Schlüsselwörter: Übertragung, Gegenübertragung, Trauma, Intersubjektivität
Annegret Wittenberger
Hexe, Nixe, Fee – Mutterrepräsentanzen im Märchen
Mit ihrer Affekt- und Repräsentanzenwelt der paranoid-schizoiden Position spiegeln Märchen frühe Ängste und Phantasien wider. Gleichzeitig eröffnen sie als Übergangsphänomene Perspektiven zur Überwindung der archaisch-frühkindlichen inneren Welt durch Symbolisierung und fördern deren Integration. Dies wird an vorwiegend von Spaltung und Projektion geprägten Mutter-Imagines in ausgewählten Märchen der Brüder Grimm unter Einbeziehung literarischer Texte dargestellt.
Schlüsselwörter: paranoid-schizoide Position; Übergangsraum; Kreativität; Ödipuskomplex; Individuation