Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie
Zeitschrift für Psychoanalyse und Tiefenpsychologie
Suizidalität und selbstverletzendes Verhalten
E-Journal (pdf) – Heft 197, 54. Jg., 1/2023
Inhalt
Vorwort
Beitrag 1
Susanne Benzel & Katarina Busch
»Also ich hab dann versucht, mir, ähm, die Pulsadern aufzuschneiden.«
Bedeutungen von Suizidalität in der Adoleszenz im Kontext von Optimierungsanforderungen.
Eine sozialpsychologisch-fallrekonstruktive Betrachtung«
Beitrag 2
Psychoanalytische Leitlinie der VAKJP
Franz Timmermann / Christoph Radaj / Shadi Dastyari / Charlotte Wuppermann
Suizidalität und Adoleszenz
Beitrag 3
Gudrun Kallenbach
»Ich heiße Paul und ich bin ein Junge.«
Spezifische Aspekte in der psychodynamischen Psychotherapie mit transsexuellen Jugendlichen
Beitrag 4
Jakob Erne
»Und da wollt’ ich am liebsten im Boden versinken« – Das Phänomen Scham in Theorie und klinischer Praxis
Forum
Horst Kämpfer
Missbrauch und Selbstverletzung – Phänomenologie anhand einer literarischen »Verdichtung«
Man will doch noch Ein wenig Leben.
Buchbesprechungen
Die Autorinnen und Autoren des Heftes
Ankündigungen
Katarina Busch & Susanne Benzel
»Also, ich hab’ dann versucht, mir, ähm, die Pulsadern aufzuschneiden.«
Bedeutungen von Suizidalität in der Adoleszenz im Kontext von Optimierungsanforderungen.
Eine sozialpsychologisch-fallrekonstruktive Betrachtung
In diesem Beitrag werden psychosoziale Bedeutungen von Suizidalität angesichts von Optimierungsanforderungen in der Adoleszenz beleuchtet. Denn Anforderungen, sich selbst zu optimieren, stetig zu verbessern und die eigene Leistung zu steigern, werden zeitdiagnostisch auch für die Adoleszenz als eine der relevantesten kulturellen Leitvorstellungen in westlich geprägten Gegenwartsgesellschaften erachtet. Auch familial werden diese Leitbilder übersetzt und folgenreich in Eltern-Kind-Beziehungen vermittelt. Anhand eines Fallbeispiels aus einer qualitativ-rekonstruktiven und sozialpsychologisch orientierten Forschung werden die komplexen Zusammenhänge von Optimierungsanforderungen in der Adoleszenz und Suizidalität unter Berücksichtigung der biographischen Disposition präzisiert. Der suizidalen Handlung kommt in diesem Fall die Bedeutung eines unüberhörbaren Alarmsignals zu, angesichts einer spezifischen Figur von Selbstentwertung versus Selbstüberhöhung. Kulturell betrachtet kann der Akt als ein verzweifelter Ausbruchsversuch angesichts stetiger Optimierungsanforderungen verstanden werden.
Schlüsselwörter: Adoleszenz, Suizidalität, Eltern-Kind-Beziehung, Optimierung, Körper.
Psychoanalytische Leitlinie der VAKJP
Franz Timmermann / Christoph Radaj / Shadi Dastyari / Charlotte Wuppermann
Suizidalität und Adoleszenz
Es werden zunächst einige Aspekte aufgelistet, die als Rahmen der eigentlichen Betrachtung gelten. Nach einer theoretischen Zuordnung von ›Adoleszenz und Suizidalität‹ werden in den Kapiteln Diagnostik und Psychotherapie Phänomene aus der Alltagspraxis aufgezeigt.
Im ersten Kontakt kann durch die Betroffenen bereits eine extreme Form der szenischen Darstellung zwischen den Polen bagatellisierender Ablehnung und mörderischem Hass sichtbar werden. Sprachlosigkeit und Angst vor der Veränderung seitens des Patienten sowie Ohnmachtsgefühle seitens des Therapeuten können zunächst den Aufbau einer Beziehung verhindern. Aber destruktive Affekte des Patienten dienen allem Anschein zum Trotz dem Leben. Prognostisch bedeutsam kann dabei nicht so sehr die Erhebung über die Qualität der Objektbeziehungen sein, sondern der Versuch, als Therapeut stabil zu bleiben und außerhalb einer ausschließlich störungsorientierten Sichtweise gemeinsam mit dem Patienten auf die Suche nach neuen Bildern zu gehen. Eine intersubjektive therapeutische Vorgehensweise kann dabei den tieferen Sinn enthalten, dass Adoleszente Suizidalität auch als stabilisierendes Identitätsmerkmal benötigen und dieses mit inneren oder realen Objekten in Verbindung bringen. Suizidalität kann dabei die unterschiedlichsten Bedeutungen einnehmen und sich in den verschiedenen Phasen der Adoleszenz ebenso verschieden gestalten.
Schlüsselwörter: Adoleszenzphasen, Suizidalität, Arbeitsbündnis, Patiententypen, Therapiephänomene.
Gudrun Kallenbach
»Ich heiße Paul und ich bin ein Junge.«
Spezifische Aspekte in der psychodynamischen Psychotherapie mit transsexuellen Jugendlichen
Die Adoleszenz ist die Phase in der psychosexuellen Entwicklung, in der die Geschlechtsidentität in ihrer Ausgestaltung von Jugendlichen intensiv reflektiert und in verschiedenen Ausprägungen und Facetten erprobt wird. Je nach individueller Entwicklung finden sich Jugendliche in einer cis-Identität oder eben auch in non-binären Identitätskonzepten wieder.
In diesem Artikel geht es um die Gruppe der transsexuellen Jugendlichen, die sich mit ihrem biologischen Geschlecht nicht hinreichend identifizieren können. Sie empfinden sich als non-binär und wünschen sich eine Transidentität, die in eine Transsexualität münden soll. In der Psychotherapie mit dieser Gruppe von Adoleszenten ist Hilfe und Unterstützung in ihrem Identitätsprozess erforderlich.
Im Text werden neben der Einordnung in psychoanalytische Theorie anhand von Fallbeispielen Aspekte der Behandlungstechnik gezeigt und reflektiert.
Schlüsselwörter: Adoleszenz, Geschlechtsidentität, Nonbinariät, Sexualität, Transsexualität.
Jakob Erne
»Und da wollt’ ich am liebsten im Boden versinken« – Das Phänomen Scham in Theorie und klinischer Praxis
Scham wird im vorliegenden Beitrag sowohl als intrapsychischer wie auch als interpersonaler (Beziehungs-)Affekt beschrieben. Scham markiert hierbei nicht nur die Diskrepanz zwischen Ich und Ich-Ideal, welche im unmittelbaren Schamerleben deutlich wird, sondern kann auch eine entwicklungsfördernde Wirkung haben, die insbesondere in der Spätadoleszenz zum Tragen kommt. Unterlegt durch Fallvignetten wird zunächst eine Phänomenologie der Scham präsentiert, gefolgt von einem kurzen historischen Abriss der Entwicklung psychoanalytischer Schamkonzepte. Der Beitrag fokussiert auf Schamkonzepte in der Behandlung junger Erwachsener und endet mit einer ausführlicheren Falldarstellung aus der Praxis.
Schlüsselwörter: Scham, Affekte, Intersubjektivität, Beziehung, Adoleszenz.