Beate Schumacher
»We are all born naked – is the rest drag?«
Psychoanalytische Ansätze zur Entwicklung der (atypischen) Geschlechtsidentität werden in einer kurzen historischen Übersicht dargestellt. Dabei wird die Spannung zwischen dem binären Entweder-Oder des biologischen Geschlechts (sex) und den unzähligen Möglichkeiten des psychosozialen (gender) verfolgt und zwei in der psychoanalytischen Literatur zu diesem Thema wiederkehrende Motive, Separation und die Anpassung an das, was als Begehren des Objekts wahrgenommen wird, beschrieben.
Schlüsselwörter: Biologisches Geschlecht (sex), psychosoziales Geschlecht (gender), Identität, Entwicklung, Transgender.
Nasim Ghaffari / Angela Köhler-Weisker
»Ein menschliches Opfer war nicht notwendig – Man opfert das Vieh und feiert das Leben des Menschen«
Bericht über die Behandlung eines adoleszenten afrikanischen Flüchtlings mit einem ethnopsychoanalytischen Kommentar
Der Bericht über die analytische Psychotherapie eines adoleszenten afrikanischen Flüchtlings von Nasim Ghaffari schildert spezifische Schwierigkeiten des Verstehens eines Patienten aus einer anderen Kultur. Dennoch kann von der Therapeutin über Verstehensinseln eine Verstehensbrücke gefunden werden, die dem Patienten ermöglicht, aus seinem depressiven suizidalen Zustand herauszukommen.
Die Supervisorin Angela Köhler-Weisker ergänzt den Bericht mit einem ethnopsychoanalytischen Kommentar. Sie unterstützt die Therapeutin, als sie in einen Schockzustand gerät, in dem sie in der Gegenübertragung die Angstsituation des Patienten erleidet, den Patienten zu halten, indem sie mit ihr versteht, dass der Aufprall zweier Kulturen oft mit Todesangst verbunden ist. Ein besonderes Anliegen des Fallberichtes ist zu zeigen, dass man neben dem psychoanalytischen zusätzliches jeweils spezifisches soziokulturelles Wissen braucht, wenn man mit Patienten aus anderen Kulturen auf einer tieferen Ebene therapeutisch arbeitet.
Schlüsselwörter: Ethnische Identität, Flüchtlinge, kulturelle Sensitivität, magisches Denken, Trauma.
Jürgen Heinz / Helmut Leipersberger / Eva Machacek / Bernd Ochs-Thurner
Psychotherapeutische Dialoge unter der Lupe
Ausgehend von der Problematik, in der Ausbildung nicht genügend auf die Arbeit mit Patientinnen und Patienten vorbereitet worden zu sein, denen das klassische analytische Setting nicht gerecht wird, setzte sich eine Forschungsgruppe aus KJP, PP und ärztlichen Psychotherapeuten, die sowohl analytische als auch tiefenpsychologisch fundierte Behandlungen durchführen, in ausführlichen Falldiskussionen damit auseinander, wie wir diesen Patienten helfen können. Im weiteren Verlauf unserer Arbeit erforschten wir, inwiefern sich Behandlungsziele im konkreten psychotherapeutischen Prozess abbilden. Welche Ziele verfolgt der Psychotherapeut, wie glaubt er, seinem Patienten helfen zu können, welche Arten von Interventionen lassen sich in unserer realen Praxis beobachten, und wie bildet sich dies in der dialogischen Interaktion einer Therapiesitzung ab? Mithilfe sorgfältiger Analysen von Stundenprotokollen der Gruppenmitglieder versuchten wir, Antworten auf diese Fragen zu finden.
Schlüsselwörter: psychodynamischer Fokus, therapeutischer Fokus, Verstehensprozesse, implizite und explizite Veränderungsmodelle, implizites Beziehungswissen, Psychotherapieforschung.
Frank Stüber / Burkhard Brosig
Psychosomatik chronisch kranker Kinder in der stationären Jugendhilfe
Die Autoren geben einen Überblick über Konzeption, Aufbau und erste psychotherapeutische Ergebnisse einer Einrichtung der stationären Jugendhilfe für chronisch kranke Kinder und Jugendliche und schildern anhand zweier kontrastierender Fallvignetten das psychoanalytisch-pädagogische Setting und das psychodynamische Verständnis dieser Verläufe. Dabei wird die Idee einer stationären psychoanalytischen Behandlung in einem vollstationären Setting entwickelt und als komplementäre Therapieoption bei schwersten psychosomatischen Zuständen und psychosozialen Krisen vorgestellt. Die vollstationäre Jugendhilfe wird dabei als Basis für eine intensive psychotherapeutische Förderung von Kindern und Jugendlichen verstanden, und es werden Möglichkeiten und Grenzen dieses spezifischen Zugangs diskutiert.
Schlüsselwörter: Psychoanalytische Pädagogik, Stationäre Jugendhilfe, Psychoanalytische Psychosomatik, seelische Behinderung, Therapietreue, Diabetes mellitus Typ I, Morbus Crohn.