Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie
Zeitschrift für Theorie und Praxis der Kinder- und Jugendlichen-Psychoanalyse und der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie
Psychoanalyse der männlichen Identität, Teil III
E-Journal (pdf) – Heft 163, 45. Jg., 3/2014
Inhalt
Vorwort
Beitrag 1
Bernd Traxl
Der Junge und seine objektale Welt
Zwischen Schicksal und Verarbeitung
Beitrag 2
Hans Hopf
Zwischen Ernähren und Begehren – die Mutter, der Sohn, der abwesende Vater
Beitrag 3
Frank Dammasch
Ein jugendlicher Sitzenbleiber, der lieber Asperger-Autist als Mädchen sein möchte
Ein klinischer Beziehungsbericht
Beitrag 4
Johannes Huber / Bernd Traxl / Josef Christian Aigner / Laura Burkhardt
Männliche Erzieher und ihre Wirkung auf Jungen und Mädchen
Ergebnisse einer multimethodalen Studie über Mann-Kind-Beziehungen im Kindergarten
Beitrag 5
Forum
Annegret Wittenberger
Kinderanalyse in Deutschland – Produkt eines kollektiven Tabus?
Buchbesprechung
Die Autorinnen und Autoren des Heftes
Ankündigungen
Bernd Traxl
Der Junge und seine objektale Welt
Zwischen Schicksal und Verarbeitung
In diesem Beitrag soll die grundlegende Bedeutung der geschlechtsspezifischen Determinanten in der ontogenetischen Entwicklung des Jungen herausgearbeitet werden. Ich beginne mit der Körperlichkeit (Kap. 2), um darauf aufbauend die Rolle der Phantasmen und der kulturellen Bedingungen beim Erwerb der Geschlechtsidentität (Kap. 3) darzustellen. In einem vierten Teil zeichne ich die objektbeziehungstheoretischen Entwicklungslinien (Kap. 4) nach, die sich aus dem Zusammenspiel von Körperlichkeit und interaktionellen Bedingungen ergeben. Die neuralgischen Punkte dieses Prozesses werden an den klinischen Störungen sichtbar, die vor allem Jungen bzw. Männer betreffen. Hier seien vor allem autistische, schizoide und hyperaktive Phänomene genannt, die in ihrer Häufigkeit und Schwere nicht nur zufällig an das männliche Geschlecht gebunden sind.
Schlüsselwörter: Jungen, Geschlechtsidentität, Autismus, Schizoide Störungen, Hyperaktivität.
Hans Hopf
Zwischen Ernähren und Begehren – die Mutter, der Sohn, der abwesende Vater
Ein Kind wird von seinen Eltern nicht nur beschützt und ernährt, es ist auch dem Begehren von Mutter und Vater ausgesetzt. Der erste libidinöse Wunsch eines Kindes zielt immer auf die Mutter. Umgekehrt ist das Kind – wiederum unabhängig vom Geschlecht – dem Begehren der Mutter ausgesetzt. Erst durch Anerkennung des Vaters und seines Gesetzes wird eine dauerhafte Dyade verhindert, und der Zugang zur väterlichen Welt gewährleistet. Ist die elterliche Beziehung intakt, nimmt der Vater seinen Platz in einer Triade ein. Von Anfang an besteht jetzt ein mütterlicher Bezug zum Dritten. In diesem Beitrag wird aufgezeigt, wie Varianten von Männlichkeit im Beziehungsdreieck Mutter, Vater, Kind entstehen. Sie werden von der Nähe und der Distanz zu Mutter und zu Vater bestimmt und reguliert – von einer sadistisch-gewalttätigen über einer hyperphallischen Position bis zur pseudofemininen sind alle Spielarten auf einer männlich-weiblichen Ebene möglich. Solche Varianten können auch vor dem Hintergrund von Übergriffigkeiten, Missbrauch und sadistischer Gewalt entstanden sein. Es fällt auf, dass die Varianten von Männlichkeit – oder von Jungenhaftigkeit – in der heutigen Gesellschaft immer annehmbarer werden, je mehr sie sich der femininen Seite nähern.
Schlüsselwörter: Vaterlosigkeit, Dyaden, Männlichkeit.
Frank Dammasch
Ein jugendlicher Sitzenbleiber, der lieber Asperger-Autist als Mädchen sein möchte
Ein klinischer Beziehungsbericht
Ausgehend von einer Zunahme männlicher Patienten, die sich der Auseinandersetzung mit den psychosexuellen Entwicklungsaufgaben der Pubertät durch Sitzenbleiben und Verleugnung der menschlichen Triebnatur entziehen, berichtet der Autor über seine Erfahrungen in der Behandlung eines männlichen Jugendlichen mit einer Störung der emotionalen Responsivität und intersubjektiven Bezogenheit. Nach der erlebnisnahen Darstellung des analytischen Beziehungsgeschehens wird in den psychodynamischen Überlegungen insbesondere auf die Gegenbesetzung der weiblichen Selbstanteile als Ursache einer Angst vor der Verbindung mit den frühen Versagungsgefühlen und den Abhängigkeitswünschen aus der Mutter-Sohn-Beziehung hingewiesen. Der bewusste Hass des Patienten richtet sich gegen Mädchen, der unbewusste Hass richtet sich gegen die eigenen weiblich-mütterlichen Anteile, was zu einer intrapsychischen Verweigerung bisexueller Identifizierung und zur Störung des Entwicklungsprozesses einer reifen psychosexuellen Identität führt. Das Körperbild ist durch eine horizontale Spaltung mit Idealisierung des intellektuellen Kopfes und Entwertung des triebhaft-sexuellen Körpers gekennzeichnet. Am Ende wird die Bedeutung des männlichen Geschlechts bei der Störung der emotionalen intersubjektiven Bezogenheit auch aus neurobiologischer und mentalisierungstheoretischer Perspektive skizziert.
Schlüsselwörter: männliche Identitätsbildung, psychosexuelle Entwicklung und Adoleszenz.
Johannes Huber / Bernd Traxl / Josef Christian Aigner / Laura Burkhardt
Männliche Erzieher und ihre Wirkung auf Jungen und Mädchen
Ergebnisse einer multimethodalen Studie über Mann-Kind-Beziehungen im Kindergarten
Nach grundsätzlichen Überlegungen zur Genderproblematik in der Erziehung stellen die Autoren Methodik, Durchführung und Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie über männliche Erzieher und die pädagogischen Auswirkungen ihrer Präsenz in Kindertagesstätten dar. Sie fanden deutliche Hinweise, dass die Effekte v. a. auf Jungen hervortreten.
Schlüsselwörter: Kindergartenerzieher, Erzieherverhalten, Einstellungen zur Geschlechtsrolle, Geschlechterbeziehungen, Familienbeziehungen.