Analytische Psychologie
Zeitschrift für Psychotherapie und Psychoanalyse
Geistes Gegenwart
Presence of Mind
Inhalt
Roman Lesmeister
Editorial
Beitrag 1
Wolfgang Giegerich
Geist und Seele
C. G. Jung und die psychologische Differenz
Beitrag 2
Dieter Treu
Was ist ein Bild? – Und was ist ein Gedanke?
Über die gebrochene Dialektik der jungianischen Methodologie
Beitrag 3
Paul Bishop
»Nur insofern wir schlafen, leben wir; sobald wir erwachen, fangen wir an zu sterben!«
Dithyrambisches Denken und transzendentaler Pantheismus bei Jung und Klages
Beitrag 4
Hartmut Böhme
Die psychologischen Typen bei Friedrich Schiller und C. G. Jung
Diskussionsforum
Volker Hansen
Schiller und Jung
Anmerkungen zu Hartmut Böhmes Beitrag: »Die psychologischen Typen bei Friedrich Schiller und C. G. Jung«
Filmbesprechung
Stefan Wolf
Was die Augen wissen
Denkbild
Konstantin Rößler
Macht! das Paar Liebe?
Beitrag 5
Ève Pilyser-Oms
Die kleine Meerjungfrau (La petite Sirène)
Körperverlust als einziger Ausweg aus dem familiären Ödipuskomplex
Beitrag 6
Gustav Bovensiepen
Was habt Ihr, was wir noch nicht haben?
Zum Verhältnis von Analytischer Psychologie zur Psychoanalyse
Beitrag 7
Günter Langwieler
Die Neurosenlehre C. G. Jungs zwischen Dissoziation und Imagination
Beitrag 8
David Stötzner
Archetyp und Spiritualität
Jung und Wilber im Dialog
Alexander Behringer, Barbara Beyland
Gespräch mit Kurt Höhfeld
Tagungsberichte
Antje Barber und Antje Feistel
DGAP-Frühjahrstagung: »Lebenslinien – Entwicklungen aus dem Selbst« März 2018 in Herrsching
Joachim Weimer
Forschungstag in Stuttgart
Komplexpsychologie im klinischen Kontext
Dieter Treu
Tagung: »Geistes Gegenwart«
Zum Verhältnis von Geist und Seele in Philosophie und Psychoanalyse
Dieter Schnocks, Konstantin Rößler
Nachruf auf Dr. Theodor Seifert (*9.7.1931–† 27.5.2018)
Buchbesprechungen
Vorschau
Förderpreis der Zeitschrift Analytische Psychologie
Call for papers: »Begehren und Begrenzung«
Richtlinien für Autorinnen und Autoren
Geist und Seele
C. G. Jung und die psychologische Differenz
Eine kurze Textpassage aus Jungs Erinnerungen, in der Jung das, was »Sexualität« in seiner Psychologie bedeutet, explizit von der Bedeutung, die »Sexualität« in der Psychoanalyse Freuds hat, abgrenzt, enthält Winke, die es erlauben, den einzigartigen und meist weder beachteten noch wenigstens gesehenen Charakter seiner reifen Psychologie-Konzeption in seinen verschiedenen Zügen des näheren zu entfalten.
Schlüsselwörter: C. G. Jung und die Jungianer; personalistische Psychologie versus »Seele der Menschheit«; Psychologie als Sachwissenschaft; Gehalte statt Emotion; Geist als Seele der Seele.
Dieter Treu
Was ist ein Bild? – Und was ist ein Gedanke?
Über die gebrochene Dialektik der jungianischen Methodologie
Vermutlich ist unsere Haltung zur Analytischen Psychologie auch dadurch geprägt, welche post-jungianischen Konzepte wir für unsere Arbeit als bereichernd und zu unseren persönlichen Eigentümlichkeiten passend empfinden. Im Beitrag wird anhand der Begriffe Bild und Bildlichkeit nach dem schwierigen Wie der Aneignung eines jungianischen Konzeptes durch Einzelne wie auch durch psychoanalytische Institutionen gefragt.
Anhand eines Jung-Zitates wird das ›innere Bild‹ für Jung in der Rolle als positiv-substanzhafter Gegenentwurf zur »zersetzenden« Methode Freuds diskutiert. Mit Bezug auf Hillmans phänomenologisches, nicht-metaphorisches Bildverständnis, werden Differenzen zwischen dem jungianischen Symbol- und Bildverständnis und deren Konsequenzen dargelegt. Beispielhaft an vier Debatten wird die innerjungianische Gebrochenheit einer Dialektik von Bild und Gedanke herausgearbeitet.
Schlüsselwörter: Bild, Dialektik, Archetypische Psychologie, Öffentlichkeit, James Hillman
Paul Bishop
»Nur insofern wir schlafen, leben wir; sobald wir erwachen, fangen wir an zu sterben!«
Dithyrambisches Denken und transzendentaler Pantheismus bei C. G. Jung und Ludwig Klages
Heidegger behauptete, dass es drei Heraklit’sche Denker gebe (Hölderlin, Hegel und Nietzsche). Es ist bestimmt kein Fehler, C. G. Jung und Ludwig Klages als Vierten und Fünften in diese Gruppe aufzunehmen. Im Falle von Jung entdecken wir Heraklit als einen Denker der spannungsvollen Polarität: Abgesehen von Heraklits Vorstellung der Seele, interessiert sich Jung vorwiegend für den Begriff der Enantiodromie. Radikaler noch als bei Jung ist die Heraklit-Deutung des Lebensphilosophen Klages. Schon in Klages’ frühen Schriften gilt Heraklit als »Ekstatiker«, aber auch als »dithyrambischer Denker«. In diesem Artikel wird versucht, die Heraklit-Rezeption bei Jung zu überprüfen, die Radikalität Klages’ durch seine Heraklit-Deutung zu würdigen und kritisch zu beleuchten sowie beide Denkansätze miteinander zu vergleichen.
Schlüsselwörter: Heraklit, Klages, Enantiodromie, Lebensphilosophie, Symbol, Karl Fortlage, transzendentalter Pantheismus
Hartmut Böhme
Die psychologischen Typen bei Friedrich Schiller und C. G. Jung
In seinem Buch »Psychologische Typen« von 1921 widmet C. G. Jung dem Dichter und Philosophen Friedrich Schiller ein ausführliches Kapitel, das genauso lang ist wie Jungs eigene Systematik der acht Persönlichkeitstypen. Die Schiller-Passage ist Teil der ungewöhnlich ausführlichen Ideengeschichte der Jung’schen Persönlichkeits-typologie. Letztere hat auf die Persönlichkeitsforschung großen Einfluss gewonnen, indes ausschließlich hinsichtlich des formalen Gerüsts der Typik, das letztlich auf die Tetrade der vier Elemente und der vier Temperamente zurückgeht. Was ist überhaupt Typologie und welcher Art ist die Jung’sche Typen-Einteilung? Ist sie eine Theorie, eine Systematik oder eher eine Heuristik auf der Grundlage von Lektüren und Erfahrungen?
Schlüsselwörter: Typologie, Persönlichkeitsforschung, Ideengeschichte, Temperamente, Vier-Elemente-Lehre
Ève Pilyser-Oms
Die kleine Meerjungfrau (La petite Sirène)
Körperverlust als einziger Ausweg aus dem familiären Ödipuskomplex
Im Anschluss an eine wortgetreue Interpretation – komplementär zur bekannten projektiven Lektüre des Andersen-Märchens Die kleine Meerjungfrau – stellt die Autorin die Frage nach dem Ursprung, dem Ausmaß und den möglichen Konsequenzen eines generationenübergreifenden Ödipuskomplexes für die Erfahrung und zukünftige Entwicklung einer Heranwachsenden.
Schlüsselwörter: Adoleszenz, Spaltung, Ödipuskomplex, Körperverlust, Große Mutter, tödlicher, nährender Pakt, Opfer
Gustav Bovensiepen
Was habt Ihr, was wir noch nicht haben?
Zum Verhältnis von Analytischer Psychologie zur Psychoanalyse
Es werden konzeptuelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Analytischer Psychologie und modernen psychoanalytischen Traditionen (Selbstpsychologie und postkleinianische Objektbeziehungspsychologie) dargestellt, die für die persönliche Behandlungspraxis des Autors bedeutsam sind. Die grundlegende Differenz liegt in unterschiedlichen Modellen der Psyche: Jungs Modell ist umfassender und wird der »psychischen Wirklichkeit« gerechter als die Strukturtheorie der Psychoanalyse. Die moderne Komplextheorie umfasst eine jungianische Krankheitslehre, ein entwicklungspsychologisches Konzept und ein der Objektbeziehungspsychologie vergleichbares Konzept innerer Objekte. Im Selbstkonzept der Analytischen Psychologie drückt sich im Kern die Wandlungsdynamik von Jungs Modell der Psyche aus, während das Konzept des Selbst in der Psychoanalyse im Wesentlichen ein ichpsychologisches Konzept darstellt. Ein Schwerpunkt des Textes liegt auf einer vergleichenden Darstellung der Komplexe als grundlegende Arbeitseinheiten der Psyche und der Theorie der inneren Objekte, wie sie in der postkleinianischen Tradition angewendet wird.
Schlüsselwörter: Komplex, innere Objekte, Selbst, Transformationsfähigkeit der Psyche, analytische Haltung
Günter Langwieler
Die Neurosenlehre C. G. Jungs zwischen Dissoziation und Imagination
Unbewusste gefühlsbetonte Komplexe, Dissoziation der Persönlichkeit und Aktive Imagination werden als zentrale Kategorien von Jungs Neurosenlehre diskutiert und der Dissoziationsbegriff in seiner ideengeschichtlichen Entwicklung nachvollzogen. Jung verbindet mit seinem Komplex- und Dissoziationsbegriff ein Konfliktmodell mit einem Strukturmodell der Neurose: Dissoziative Mechanismen schützen das Ich-Bewusstsein vor Überforderung durch Konflikte und unerträgliche Emotionen, indem sie diese ins Unbewusste abspalten. Im Sinne der ICD werden aus dem bewussten Erleben einzelne integrativ wirkende psychische Funktionen herausgelöst und bewirken typische neurotische Symptome. Mit Hilfe der Phantasie und der Anwesenheit des Psychotherapeuten kann die Verbindung zu den unbewussten Komplexen hergestellt werden, um sie wieder zu integrieren.
Schlüsselwörter: Neurose, Komplex, Dissoziation, Aktive Imagination, Übertragung
David Stötzner
Archetyp und Spiritualität
Jung und Wilber im Dialog
Eine Verbindung grundlegender Gedanken der integralen Theorie von Ken Wilber mit der Analytischen Psychologie C. G. Jungs enthält ein großes Potential für die theoretische Weiterentwicklung der analytischen Psychologie. Eine solche Synthese hilft, die unterschiedlichen Ebenen in Jungs Werk klarer auseinanderzuhalten, und eröffnet neue Möglichkeiten für das Verständnis höherer Entwicklungspotentiale und den Bereich der Spiritualität. Die Auseinandersetzung mit Wilber schärft den Blick für das Verhältnis von Urbild und Abbild sowie für den Entwicklungsweg des Ichs durch die präpersonalen, personalen und transpersonalen Ebenen. Aber auch die integrale Theorie kann von einer vertieften Auseinandersetzung mit Jung profitieren, indem es auf die notwendig bestehende Durchdringung der frühen Entwicklungsebenen mit der transpersonalen Dimension hinweist.
Schlüsselwörter: Spiritualität, Archetyp, Selbst, Wilber, Prä-/Trans-Verwechslung