Analytische Psychologie
Zeitschrift für Psychotherapie und Psychoanalyse
Das Kind – jungianisch
The Child in Jungian Theory
Inhalt
Isabelle Meier
Editorial
Beitrag 1
Gustav Bovensiepen
Das verlassene Kind – Das böse Kind
Überlegungen zu einer destruktiven Selbstentwicklung
Beitrag 2
Angelica Löwe
»Das Herz träumt zarte Fabeln…«
Prozesse unbewusster Kommunikation im analytischen Paar, dargestellt an einem Fallbeispiel
Aus dem Archiv der Analytischen Psychologie
James Hillman
Das Kind verlassen – Abandoning the Child (1971) Teil 1
Denkbild
Elisabeth Grözinger
Rotkäppchen in Hégenheim
Essay
Stefan Wolf
Sich erinnern, ohne zu urteilen
Der Film Gundermann und das Bild vom Leben in der DDR
Jungianische Identitäten (3)
Elisabeth Adametz
Jungianerin in Berlin?
Beitrag 3
Michael Péus
Die Analytische Psychologie zwischen Selbstbefreiung und Selbstbegrenzung
Erkenntniskritische Reflexionen zu C. G. Jungs »Theoretische Überlegungen zum Wesen des Psychischen« (1946/54)
Beitrag 4
Carsten Caesar
Techno, Drogen, Leere – Über die Entwicklung eines lebendigen inneren Raumes
Gedanken zu Konzeptionen früher psychischer Entwicklung
Beitrag 5
Anna Gätjen
Das Smartphone
Szenen zwischen Begehren und Begrenzung in der Behandlung eines jungen Mannes
Tagungsberichte
Dieter Treu
Abandoning the Child – Das Kind verlassen
Werkstatt-Tagung in Berlin, am 29. und 30. November 2019
Miriam Ehret, Andreas Kloiber, Elisabeth Schörry-Volk, Joachim Weimer
Nachklang zur DGAP Frühjahrstagung in Stuttgart 5.-8. März 2020
Filmrezension
Volker Münch
»Freud«
Buchbesprechungen
Vorschau
Förderpreis der Zeitschrift Analytische Psychologie
Richtlinien für Autorinnen und Autoren
Call for Papers
Das verlassene Kind – Das böse Kind
Überlegungen zu einer destruktiven Selbstentwicklung
Zusammenfassung: Ausgehend von C. G. Jungs Arbeit zur »Verlassenheit des Kindes« in Psychologie des Kindarchetyps wird Jungs idealisierendes Konzept des psychologischen Heldenweges und des Kindes als Selbstsymbol aufgrund eines Mangels insofern kritisch betrachtet, als in dieser Theorie keine negativen Helden vorkommen. Dies führt zur Feststellung, dass es in der analytischen Psychologie generell kaum Erklärungen für »Destruktivität an sich« gibt. Es wird die Annahme vertreten, dass manche der früh verlassenen Kinder die unbewusste Fantasie und eine tiefe Überzeugung haben, bereits als destruktives, »böses« Kind auf die Welt gekommen zu sein und unbewusst mit einem destruktiven Aspekt der Großen Mutter (E. Neumann) identifiziert zu sein, was eine negative, »böse« Selbstdynamik in Gang setzt. Ihr Ich lebt in einer destruktiven Komplexorganisation, sodass sich das Potenzial dieses destruktiven Selbst in einer entgleisten, gewalttätigen Individuation entfalten kann. Diese wird von Fällen wie dem Massenmörder Grenouille in Patrick Süskinds Roman Das Parfüm oder dem norwegischen Massenmörder Breivik verkörpert. Es wird versucht, einige allgemeine Überlegungen zu Denkweisen und Geistesverfassungen anzustellen, die Destruktion begünstigen.
Schlüsselwörter: das nicht-integrierbare Destruktive, der dunkle Gott, Kindarchetyp, negative Individuation, Schatten, destruktive Komplexorganisation, unbewusste Fantasien
Angelica Löwe
»Das Herz träumt zarte Fabeln …«
Prozesse unbewusster Kommunikation im analytischen Paar, dargestellt an einem Fallbeispiel
Zusammenfassung: In einer klinischen Vignette bewegt sich die Analytikerin entlang der Knotenpunkte therapeutischer Transformationsprozesse. Besondere Aufmerksamkeit widmet sie dabei ihrer Gegenübertragung, v.a. den dabei auftauchenden Bildern, ihrer Körpererfahrung und Träumen im Zusammenhang mit nur schwach repräsentierten psychischen Zuständen des Gegenübers. Absicht der Autorin ist, zu beschreiben, in welchen Konfigurationen sich unbewusste Kommunikation beim analytischen Paar zeigt, auf welche Weise sie reflektiert werden kann und welchen Einfluss sie auf den analytischen Prozess hat.
Schlüsselwörter: Analytisches Feld, Übertragung und Gegenübertragung, Rêverie, schwach bzw. nicht repräsentierte psychische Zustände, Abjektion und Abjekt, Chora
Michael Péus
Die Analytische Psychologie zwischen Selbstbefreiung und Selbstbegrenzung
Erkenntniskritische Reflexionen zu C. G. Jungs »Theoretische Überlegungen zum Wesen des Psychischen« (1946/54)
Zusammenfassung: Ein entfesselter politisch korrekter Zeitgeist sowie höchste kollektive Ansprüche in Bezug auf Wissenschaftlichkeit fordern die Analytische Psychologie hinsichtlich der theoretischen wie ethischen Legitimierbarkeit ihrer Wertungen, wissenschaftlichen Aussagen und Diagnosen aufs Äußerste heraus. Jung vollzieht in seinen klar erkenntnistheoretischen Überlegungen eine rückhaltlose Selbstbesinnung der Psychologie, die die Psychologie als wertende Instanz der Philosophie voranstellt, Subjekt und Objekt der Psychologie in ihrer zirkulären Dynamik völlig neu entwirft und schließlich um Möglichkeiten der Selbstbegrenzung und Selbstkorrektur ringt, von denen ihre Legitimation als Wissenschaft abhängt. Der Artikel arbeitet die problematischen wie auch die weitaus überwiegenden konstruktiven Aspekte dieser unauflösbaren Krisis heraus.
Schlüsselwörter: Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie, Ethik, Philosophie, Kindarchetypus, Selbstbegründung, Selbstreflexion, Subjekt-Objekt-Beziehung, Psyche, Individuation
Carsten Caesar
Techno, Drogen, Leere – Über die Entwicklung eines lebendigen inneren Raumes
Gedanken zu Konzeptionen früher psychischer Entwicklung
Zusammenfassung: Es wird die Fragestellung behandelt, wie ein innerer psychischer Raum entsteht. Zahlreiche psychoanalytische Entwicklungstheorien bieten zur Beantwortung dieser Frage Hypothesen an. Hier wird der Überlegung nachgegangen, inwieweit diese Theorien die Austauschprozesse zwischen unterschiedlich ausgeformten Präkonzeptionen innerhalb des jeweiligen Kindes und den spezifischen sozialen Umweltbedingungen fassen können. Wie kann die Gestaltung dieser inneren Räume unter den jeweiligen Entwicklungsbedingungen verstanden werden? Die Entwicklung von Modellen ist erschwert, da es sich um sehr frühe und nichtsprachliche Austauschprozesse handelt. Wenn diese missglücken, kann dies zu strukturellen Störungen führen, welche eine große psychotherapeutische Herausforderung darstellen. Vorstellungen über die Gestaltung des inneren Raumes bei solchen Patienten bieten eine Möglichkeit, die behandlungstechnischen Schwierigkeiten besser zu verstehen. Anhand einer Fallvignette über die Behandlung einer jungen erwachsenen Patientin soll dies verdeutlicht werden.
Schlüsselwörter: Frühe Entwicklung, das dynamische Konzept von Wandlungs- und Elementarcharakter; Zweithautbildung, adhäsive Identifizierung, Traumarbeit
Anna Gätjen
Das Smartphone
Szenen zwischen Begehren und Begrenzung in der Behandlung eines jungen Mannes
Zusammenfassung: Gegenstand dieser Fallstudie sind Wünsche, Ängste und Konflikte, die sich im Umgang mit dem Smartphone in der klinischen Behandlungssituation in Szene setzen. Der Umgang mit dem Smartphone wird in ein Verhältnis zum adoleszenten Entwicklungsprozess gesetzt. Nach einer Bestandsaufnahme der Literatur zum Thema wird die Theorie des szenischen Verstehens von Alfred Lorenzer ausgeführt und anhand von klinischem Material exemplifiziert. Die Varianten der individuellen Verwendung des Smartphones in der klinischen Situation werden im Weiteren unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutiert und in den Kontext allgemeiner theoretischer Überlegungen zum Gebrauch Digitaler Medien in der Adoleszenz gestellt.
Schlüsselwörter: Digitale Medien, Smartphone, szenisches Verstehen, Adoleszenz