
Analytische Psychologie
Zeitschrift für Psychotherapie und Psychoanalyse
Kunst
Art
Inhalt
Stefan Wolf
Editorial
Angelica Löwe
Gewalt und Verlassenheit
Kritische Fragen an Jungs Gottesbild im Lichte einer Fallstudie
Mark Winborn
Das Abgründige im Erhabenen
Projektive Identifizierung in der Kunst von Francis Bacon
Ralf T. Vogel
Das Ganz-Andere: Die Gegensatzproblematik in der Analytischen Psychologie und ihre praktischen Implikationen
Denkbild
Sylvia Runkel
Blickfang
Interview
Mit Roman Lesmeister in der Hamburger Kunsthalle
Gespräch mit Angelica Löwe
»Etwas, das an den Grenzen leuchtet …«
Doris Titze
Die Begegnung im Bild
Kunst und Therapie
Tonius Timmermann
Die akustische Dimension im Weltbild C. G. Jungs
Musik als archetypische Energie und ihre therapeutische Anwendung
Interview
Katia Tchemberdji, Komponistin in Berlin, im Gespräch mit Angelica Löwe
Fantasie ist das Wichtigste überhaupt!
Lucienne Marguerat
Das Mysterium künstlerischen Schaffens
Ursprung und Wirkung moderner Kunst bei Jung und Neumann 391
Aus dem Archiv der Analytischen Psychologie
Paul Brutsche
Zum Befremdlichen in der heutigen Kunst
Werkstattbericht
Antje Barber, Günter Langwieler
Seminar »Mythos bei Neumann« (Juni 2018) Teil 2
Erich Neumanns erste Arbeiten und Korrespondenzen zum kollektiven Unbewussten und Mystik des Jüdischen – Auszüge aus der gemeinsamen Seminararbeit am IFP Berlin
Diskussionsforum
Paul Brutsche
Einige Bemerkungen zu Isabelle Meiers Artikel
»Manualisierung – ein Reizwort«
Porträt
Ami Ronnberg
ARAS
Das Forschungsarchiv für Analytische Psychologie
Förderpreis der Zeitschrift Analytische Psychologie
Buchbesprechungen
Richtlinien für Autorinnen und Autoren
Vorschau
Call for Papers
Gewalt und Verlassenheit
Kritische Fragen an Jungs Gottesbild im Lichte einer Fallstudie
Zusammenfassung: Die Autorin interpretiert den Archetyp des verlassenen Kindes vor dem Hintergrund der Christusgestalt und im Kontext von Jungs Interpretation göttlicher Gewalt. Die Hervorhebung des Gewaltaspekts im Zusammenhang mit dem Weg des Helden bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Möglichkeit der Liebe Gottes verstellt, so die These der Autorin, den Blick auf eine Liebeserfahrung im numinosen Bereich.
Zur Veranschaulichung ihrer These präsentiert die Autorin zwei Träume im Kontext einer Fallvignette. Eine besondere Rolle spielt hierbei F. Goyas Gemälde »Saturn«.
Schlüsselwörter: Verlassenheit, Christus, Gewalt – Liebe, Traum, Goya – Saturn
Mark Winborn
Das Abgründige im Erhabenen
Projektive Identifizierung in der Kunst von Francis Bacon
Zusammenfassung: Der vorliegende Text beschäftigt sich mit den Erfahrungen, die in den Kunstwerken von Francis Bacon dargestellt werden. Bacon, ein gebürtiger Ire, war ein bedeutender gegenständlicher Maler des 20. Jahrhunderts und für seine rohe, evozierende und oft bizarre Bildsprache bekannt. Bacons Werk wird im vorliegenden Text anhand der folgenden Konzepte untersucht: 1) Bions Konzeptualisierung von projektiver Identifizierung, Alpha-Funktion und Beta-Elementen, 2) Jungs Konzept der transzendenten Funktion sowie 3) Edmund Burkes (1756) Konzept des Erhabenen. Besonders im Fokus steht die Verwendung der projektiven Identifizierung als intersubjektiver Kommunikationsmodus, wie er beispielsweise durch Bacons Bilder erfahrbar wird, sowie die nähere Betrachtung von körperlichem Erleben, Andersheit, Gewalt und Empfindung.
Schlüsselwörter: das Abgründige (Abjekt), das Erhabene, Bion, Andersheit, Körper, Gewalt, transzendente Funktion, Intersubjektivität
Ralf T. Vogel
Das Ganz-Andere: Die Gegensatzproblematik in der Analytischen Psychologie und ihre praktischen Implikationen
Zusammenfassung: Die Analytische Psychologie hat mit ihren Zentralbegriffen der Bipolarität, der Komplementarität, der Kompensation und der Ganzheit, aber auch mit ihrem Konzept der Transzendenten Funktion die Thematik des Bezugs zum Anderen, v. a. zum »Anderen in mir«, ins Zentrum ihrer Theorie gestellt. Die Konzepte der Analytischen Psychologie stehen hier in Abgrenzung etwa zu einer (z. B. freudianischen) Konfliktpsychologie oder einer Ideologie des Bekämpfens, Besiegens oder Eliminierens des (inneren) Anderen oder Fremden. Im Gegenteil betonen sie ganz grundsätzlich die u. U. aber durchaus auch unversöhnliche Zusammengehörigkeit des Einen mit dem Anderen. Hier werden die zahlreichen Anleihen deutlich, die Jung aus der klassischen chinesischen Philosophie entnommen hat. Dabei hat Jung im Laufe seines Schaffensprozesses unterschiedliche »Lösungsvorschläge« für das Gegensatzproblem beschrieben, die zu verschiedenen impliziten Auffassungen bezüglich des Umgangs mit Konfrontationen mit dem Ganz-Anderen auch in der Community der Analytischen Psychologie geführt haben. Auch auf gesellschaftlicher Ebene stehen ähnliche Konzepte in Konkurrenz zueinander und äußern sich z. B. in unterschiedlichen Vorschlägen zur Bewältigung der Konfrontation mit »ganz anderen« Kulturen durch geflüchtete Menschen (z. B. Integration mit dem Zulassen auch eigener Veränderung vs. Assimilation vs. Multikulturalismus oder Inklusion).
Schlüsselwörter: Analytische Psychologie, Philosophie, Lebenskunst, Polarität, Ambivalenz
Doris Titze
Die Begegnung im Bild
Kunst und Therapie
Zusammenfassung: Kunsttherapie ist ein erweitertes Feld der Bildbetrachtung und Bildproduktion, des Einbezugs künstlerischer Handlungen und kunstwissenschaftlicher Denkweisen in den therapeutischen Kontext. Der erste Teil des Artikels beschreibt die kunstbasierte Formanalytische KunstTherapie (FaKT) in ihrer lösungs-, handlungs- und ressourcenorientierten Haltung. Sie betont neben der Analyse des Gestaltungsprozesses die Gestaltung der entstandenen Werke anhand der fünf Kriterien Farbe, Linie, Ebene, Materie und Zeit. Ihr Anliegen ist es, Prozesse und Werke möglichst sachlich zu beschreiben. Der existenzielle Blick der Kunsttherapie auf den Menschen ist auch eine Bereicherung des Blicks auf die Kunst, umgekehrt hilft ein differenzierter Blick auf die Gestaltung beim Blick auf den Menschen. Im Anschluss werden Parallelen zwischen künstlerischen und therapeutischen Prozessen anhand eigener künstlerischer Arbeiten aufgezeigt, weil persönliche bildnerische Prozesse für kunstbasierte KunsttherapeutInnen ebenso wichtig sind wie lehrtherapeutische Erkenntnisse.
Schlüsselwörter: Kunsttherapie, Kunst, Formanalyse, künstlerischer Prozess, Bildbetrachtung
Tonius Timmermann
Die akustische Dimension im Weltbild C. G. Jungs
Musik als archetypische Energie und ihre therapeutische Anwendung
Zusammenfassung: In der Jungianischen Literatur werden die visuellen und narrativen Wahrnehmungs- und Ausdruckswelten ausführlich und tiefgehend erforscht und beschrieben. Jung selbst wandte künstlerisches Gestalten bei sich und seinen Patienten als therapeutisches Mittel an. Es gibt jedoch verhältnismäßig wenig Beschäftigung mit der akustisch-musikalischen Ebene der Wirklichkeit als Erfahrungs- und Symbolwelt. Diese stellt der Autor, ein erfahrener tiefenpsychologisch orientierter Musiktherapeut, unter verschiedenen Aspekten vor. C. G. Jung betrachtete die Musik mit großem Respekt, da er sie als eine starke archetypische Energie erlebte. Als er im Alter der Musiktherapie begegnete, wurde ihm das große psychotherapeutische Potenzial dieses Mediums bewusst, und er prophezeite ihm eine große Zukunft.
Schüsselwörter: Akustisch-musikalische Ebene des Jungianischen Wirklichkeitsmodells, C. G. Jung als Pionier der Psychotherapie mit künstlerischen Medien, Musik als archetypische Energie, C. G. Jung und Musiktherapie
Lucienne Marguerat
Das Mysterium künstlerischen Schaffens
Ursprung und Wirkung moderner Kunst bei Jung und Neumann
Zusammenfassung: Der Beitrag geht der Frage des kreativen Drangs sowie dem Grund nach, warum die Psychologie den kreativen Prozess kaum erklären kann. Er geht weiter zur Kunstrezeption, zum »Geheimnis der Kunstwirkung«, die Jung intensiv recherchierte. Die Frage wird dann aufgeworfen, wie denn Jungs kontroverse Position zur Kunst seiner Zeit angesichts seines leidenschaftlichen Interesses für die Kunst zu erklären ist. Spätere Studien von Kunstexperten und Jungianern, insbesondere von Erich Neumann, beleuchten die Auswirkung der allgemeinen Orientierungslosigkeit in dieser Zeit auf die moderne Kunst und legen eine differenzierte Sicht auf Jungs Auffassung vor. Abschließend steht der Versuch, die überbordende Entwicklung der zeitgenössischen Kunst der letzten Jahrzehnte mit Hilfe der dargelegten analytischen Betrachtungen zu deuten.
Schlüsselwörter: Numinosum, Kunstrezeption, moderne Kunst, zeitgenössische Kunst, archetypische Bilder, Gestaltungsdrang, schöpferischer Komplex