Analytische Psychologie
Zeitschrift für Psychotherapie und Psychoanalyse
Träumen
Dreaming
Inhalt
Isabelle Meier
Editorial
Beitrag 1
Angelica Löwe
»Mondgeist«: Erich Neumanns Überlegungen zur Bewusstseinsdisposition des kreativen Menschen
Beitrag 2
Christian Roesler
Jungs Traumtheorie und die klinische Traumforschung mit der Strukturalen Traumanalyse
Beitrag 3
Elisabeth Grözinger
Träume in Grenzsituationen
Beitrag 4
Spielraum
Claus Braun
Imagination im Alltag: Die Kraft der Tagträume
Beitrag 5
Denkbild
Stefan Wolf
Der Scharlatan
Beitrag 6
Christian Maier
Die Bedeutung der Archetypen für die Affektregulierung
Beitrag 7
Leonor Dill
Archetypen in der Musik Franz Schuberts – eine integrative Methode
Beitrag 8
Sarah Hall
»Dreamcovery«: eine jungianische Analyse der Bedeutung und klinischen Relevanz von Drogenträumen
Beitrag 9
Junges Forum
Tobias Becker
»Dinge in Worte fassen, die sonst schwer in Worte zu fassen sind« – das Erzählen Biographischer Märchen als narrativ-imaginative Psychotherapiemethode
Beitrag 10
Buchessay
Antje Barber
Erich Neumann: Die Wurzeln des jüdischen Bewusstseins
Tagungsbericht
Simone Bley
DGAP Symposium in Frankfurt am Main, 21.–22. März 20
Ausstellungsbesuch
Olga Slavina
Surrealistische Meisterwerke der Collection Hersaint »Schlüssel der Träume« Fondation Beyeler
Buchbesprechungen
Vorschau
Förderpreis der Zeitschrift Analytische Psychologie
Richtlinien für Autorinnen und Autoren
Tagungsankündigung
Angelica Löwe
»Mondgeist«: Erich Neumanns Überlegungen zur Bewusstseinsdisposition des kreativen Menschen
Zusammenfassung: Die Autorin stellt eine Kurzfassung der Kulturtheorie Erich Neumanns vor, gefolgt von seinen Gedanken zur Kreativität, die für ihn eng mit dem »Mondbewusstsein« verbunden sind. Hier schlägt sie eine Brücke zu Wilfred Bions Konzept der Träumerei. Anhand der Zeichnung eines Patienten erkundet die Autorin die Topographie des Weiblichen, die in Neumanns Verständnis das Gefäß bzw. das Innere der Großen Mutter repräsentiert. Im Zusammenhang mit archaischen Darstellungen des uteralen Raums diskutiert die Autorin die Architektur der Pyramide als Gegenentwurf zum Gefäß der Großen Mutter und setzt sich aus dieser Perspektive kritisch mit Neumanns Thesen zum Prozess schöpferischen Lebens auseinander. Veranschaulicht wird dies durch die Gegenüberstellung der Zeichnung des Patienten mit einer frühen Skulptur von Giacometti.
Schlüsselwörter: Neumanns Kulturtheorie, lunares Bewusstsein, Reverie, Große Mutter, Topographie des Weiblichen, Alberto Giacometti, Aneignung der eigenen Geschichte
Christian Roesler
Jungs Traumtheorie und die klinische Traumforschung mit der Strukturalen Traumanalyse
Zusammenfassung: Seit den Anfängen der Psychoanalyse werden Träume in der Psychotherapie verwendet, und die Wirksamkeit der therapeutischen Arbeit mit Träumen ist mittlerweile gut belegt. Nach wie vor fehlt aber ein empirisch fundiertes Modell für eine zeitgemäße therapeutische Traumarbeit, die die Erkenntnisse der empirischen und klinischen Traumforschung integriert. Die zu diesem Zwecke entwickelte Strukturale Traumanalyse (STA) wird mit ihrer Forschungsmethodologie und den bisherigen Ergebnissen zusammenfassend dargestellt. Zentrale Annahme ist, dass die Handlungsfähigkeit (Agency) des Traum-Ichs (die Figur im Traum, die der Träumende als Ich erlebt) Probleme im Traum zu bewältigen und zu lösen — im Gegensatz zu sich bedroht zu fühlen, ängstlich und passiv zu sein und keine Lösung zu haben — im psychodynamischen Sinne mit Ich-Stärke gleichzusetzen ist und dass sich die Verbesserung im Laufe der Therapie in einer Zunahme der Traum-Ich-Agency widerspiegelt. Dies basiert auf Jungs Konzept der Deutung auf der Subjektstufe, dementsprechend es in der Traumdarstellung um das Verhältnis zwischen dem (Traum-)Ich und anderen Anteilen der Persönlichkeit geht. Es wurde eine Typologie von sechs Traummustern entwickelt, mit der über 90 % der Träume in der klinischen Praxis identifiziert werden können. Die Traummuster stehen in Verbindung mit den spezifischen Problemen des Patienten, den Themen der Psychotherapie und dem Fortschritt in der Therapie im Sinne von Besserung. Das Modell wurde in einer Reihe von empirischen Studien bestätigt. Die Ergebnisse unterstützen Jungs Theorie des Traumes als Selbstdarstellung der Psyche sowie sein Konzept der Deutung auf der Subjektstufe.
Schlüsselwörter: Traum; Traumdeutung; Psychotherapieprozess; Therapieprozessforschung; empirische und klinische Traumforschung
Elisabeth Grözinger
Träume in Grenzsituationen
Zusammenfassung: Anhand von biblischen Träumen, von Träumen von Sophie Scholl und C. G. Jung wird im Licht des klassischen sowie des aktualisierten Konzepts von Jung die Gewissheit stiftende und Anpassung ermöglichende Funktion von Träumen gezeigt. Als zentral dafür wird die Rezeptionsbereitschaft des erwachten Träumenden betont. Auf der Basis von Fallvignetten wird die Relevanz de
Schlüsselwörter: Gewissheit, Grenze, Individuation, Tod, Revitalisierung, Ich-Stärke, Existenzialität, Vulnerabilität, therapeutische Haltung
Christian Maier
Die Bedeutung der Archetypen für die Affektregulierung
Zusammenfassung: In der therapeutischen Praxis zeigt sich die große Bedeutung archetypischer Bilder für die Affektregulierung. Anhand von Beispielen archetypischer Manifestationen in psychotischen Krisen werden die Funktionen dieses Auftretens und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die analytische Praxis aufgezeigt. Dabei ergeben sich auch Hinweise auf die Grundbedingungen der Archetypen, die unter Einbeziehung des von Winnicott beschriebenen Angstkonzeptes einer »fear of breakdown« die Vermutung einer neuropsychofunktionalen Korrelation und damit vielleicht sogar einer solchen Genese dieser psychischen Manifestationen nahelegen.
Schlüsselwörter: Affektregulierung, schizophrene Psychose, fear of breakdown, numinose Erfahrung, neuropsychofunktionale Korrelation
Leonor Dill
Archetypen in der Musik Franz Schuberts – eine integrative Methode
Zusammenfassung: Im Rahmen einer Grundlagenforschung zu Werk und Schaffensprozess Franz Schuberts wird eine systematische und kontextbezogene Methodik angewandt, die musikanalytische Instrumente mit der Archetypenlehre C. G. Jungs verbindet. Diese Studie stützt sich auf Jungs Hypothese, dass Künstler während des Schaffensprozesses auf unbewusste archetypische Strukturen zugreifen können, die das künstlerische Werk beeinflussen und gestalten. In Schuberts OEuvre lassen sich archetypische Muster herauslesen, welche auf Wandlungsprozesse hinweisen, die seine musikalische Sprache und seinen Lebensweg prägten. Die Studie liefert neue Erkenntnisse über den Komponisten und sein Werk und dient als Interpretationsgrundlage für weitere Forschung in diesem interdisziplinären Bereich.
Schlüsselwörter: kreativer Prozess, Archetypenlehre, Individuation, Musikanalyse, Hermeneutik
Sarah Hall
»Dreamcovery«: eine jungianische Analyse der Bedeutung und klinischen Relevanz von Drogenträumen
Zusammenfassung: Drogenträume, welche häufig von Patienten in der Suchtentwöhnung erlebt werden, sind definiert als Träume, in denen Drogen oder Suchtmittel verwendet werden, einschließlich des versuchten Konsums, der Suche nach und des Umgangs mit, der Betrachtung oder des Erwerbs von Drogen (Johnson, 2001). Trotz umfangreicher Forschungsarbeiten zu Drogenträumen haben Forscher und Kliniker weitere Untersuchungen gefordert, da die untersuchten Arten und Klassifizierungen von Drogenträumen unausgewogen sind, und es an Studien mangelt, die Drogenträume und langfristige Abstinenz untersuchen (Parker, 2015). Bislang wurden vor allem
frühe psychoanalytische Theorien über Sucht und Träume herangezogen, um die Ursache und den klinischen Wert von Drogenträumen im Zusammenhang mit Suchtdruck, der Vorhersage von Rückfällen und der Bewertung der Motivation in der Behandlung zu erklären (Colace, 2014). Klinische und eigene Erfahrungen mit Drogenträumen zeigen jedoch, dass die Spezifität der geträumten Droge und ihre psychologische wie physische Wirkung auf Affektzustände im bewussten Leben hinweisen können, die in der Behandlung angesprochen werden müssen; dies unterstützt Jungs Konzeptualisierung der Psyche als selbstregulierendes System (Jung, 1970). Die vorliegende Arbeit basiert auf der Promotionsarbeit der Autorin und ist die erste Studie, in der die Methode der strukturalen Traumanalyse (Roesler, 2018) mit Patienten in der Behandlung ihrer Sucht angewandt wurde. Die Arbeit prüft die Hypothese durch die Analyse und den Vergleich der
Drogenträume von Patienten mit Mehrfachabhängigkeit in stationärer Reha-Behandlung (1–6 Monate) und von Patienten in privater Praxis in langfristiger Suchttherapie (1–8 Jahre). Auf der Grundlage der klinischen Ergebnisse dieser Forschungsarbeit behaupte ich, dass die Betrachtung von Drogenträumen aus einer jungianischen Perspektive ermöglicht, was ich als »dreamcovery« bezeichne: Ein Traum oder eine Reihe von Träumen geben die Richtung des Heilungsprozesses an. So können irreführende Konzepte beiseitegelegt und ein fortschrittlicheres Verständnis von Drogenträumen gewonnen werden. Die Ergebnisse dieser Forschung fließen bereits in neue therapeutische Anwendungen für die klinische Suchtbehandlung ein, die im Einklang mit der neuen 10-Jahres-Drogenstrategie der britischen Regierung stehen, die 780 Millionen Pfund für den »Wiederaufbau des Drogenbehandlungssystems« (HM Government, »From Harm to Hope«, 2021) zugesagt hat. Darüber hinaus ergeben sich eine Reihe neuer Forschungsmöglichkeiten für die allgemeine Traumforschung und insbesondere für die jungianischen Traumtheorien der Kompensation und der prospektiven Funktion.
Schlüsselwörter: Sucht, Genesung, Drogenträume, strukturale Traumanalyse, empirische Traumforschung
Tobias Becker
»Dinge in Worte fassen, die sonst schwer in Worte
zu fassen sind« – Das Erzählen Biographischer Märchen als narrativimaginative Psychotherapiemethode
Zusammenfassung: Anhand von drei Behandlungsverläufen wird eine narrativ-imaginative Therapie-Methode vorgestellt, bei der PatientInnen einen Teil ihrer Biographie oder ihres Behandlungsprozesses in Form eines individuellen Märchens gleichzeitig imaginieren und erzählen.
Schlüsselwörter: Märchen, Aktive Imagination, Narration, Geschichten erzähle