
Sebastian Leikert
Das sinnliche Selbst
Körpergedächtnis und psychoanalytische Behandlungstechnik
2. Auflage 2023
308 S., Paperback Großoktav (23,5 x 15,5 cm)
ISBN 978-3-95558-216-6
Psychoanalyse behandelt nicht nur durch Worte. Präverbal-sinnliche Prozesse spielen in jeder Psychotherapie ebenso eine Rolle wie das gesprochene Wort. Wie aber lässt sich diese Ebene in ihrer Eigenart erkunden? Leikert zeigt, dass das sinnliche Selbst gegenüber dem Verbalen eigenständig ist und im Therapieprozess eigenen Regeln folgt.
Vor allem das Körpergedächtnis steht im Zentrum der Erkundung. Dabei geht es um psychosomatische Symptome, Missempfindungen und dysfunktionale Spannungsmuster, die Leidenszustände repräsentieren, die niemals sprachlich symbolisiert wurden. Zum ersten Mal wird hier eine konsequent psychoanalytische Behandlungstechnik für das Körperselbst entworfen. An vielen klinischen Beispielen illustriert Leikert eine Behandlungstechnik, die der Eigenart des Körpergedächtnisses angemessen ist und es ohne Settingwechsel in die psychodynamische Arbeit integriert.
Ein wertvolles Buch für die psychodynamische Behandlungspraxis.
Einleitung
Das Unbewusste ist vor allem ein körperliches
Die wichtigsten Hypothesen
»Das Tellergefühl« – Psychoanalytische Arbeit mit Körperempfindungen
Psychoanalyse und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
I Das sinnliche Selbst und das Körpergedächtnis
Das verbale System
Das sinnliche Selbst
Körperselbst und Körpergedächtnis
Transmodale Prozesse im sinnlichen Selbst
Sinnliches Selbst, Körpergedächtnis, Kernselbst
»Wie Beton« – Bearbeiten einer Kriegstraumatisierung
Kapitelzusammenfassung
II Die Funktionsweise des sinnlichen Selbst – Die kinästhetische Semantik
Sprache und Abstraktion: der verbale Code
Die kinästhetische Semantik entsteht aus der Verschränkung von Binnen- und Außenwahrnehmung
Die semantische Einheit der kinästhetischen Semantik ist die Gestalt, bzw. die Szene
Das Körperselbst und seine Organisationsprinzipien – Das kinetische Engramm und seine Aktualisierung
Struktur und Prozess
Formwiederholung und Seduktion
Seduktion und Emanzipation
»Durch die Couch hindurch fallen« – Klinische Arbeit im Wechsel zwischenden Repräsentationsebenen
Kapitelzusammenfassung
III Eine primäre Ebene der Abwehr – Kinetische Abwehrprozesse
Der Prozess der Hemmung bei Freud
Das verkapselte kinetische Engramm und der Prozess der Hemmung
Der Mechanismus der Dissoziation
Bearbeiten einer Dissoziation – Ein »körperloser Außenposten«
Dissoziation als Glaswand und die Psychodynamik der Empathie
Sekundäre Strategien – Anästhesie und süchtige Stimulation
Das Trauma und die Generalisierung von Hemmungsvorgängen
Die transgenerationale Weitergabe von Traumatisierung
Die projektive Identifizierung als kinetisch encodierte Kommunikation
»Der Kopf trennt sich vom Körper« – Das Fokussieren von verkapselten Engrammen und die Rêverie des Analysanden
»Schwarze Stöcke« – Das psychosomatische Symptom als verkapseltes kinetisches Engramm
Die Atmung als Indikator für den intersubjektiven Verarbeitungsprozess
Kapitelzusammenfassung
IV Die zwischenleibliche Fundierung der intersubjektiven Beziehung
Exkurs: Intersubjektivität und Wissenschaftstheorie
Das Prinzip der Passung zwischen Symptom und Intervention
Negative Phänomene – Katastrophisches Schweigen und der Körper der Analytikerin
Das Erfinden von Sprachlichkeiten im Behandlungsprozess
»Atem und Oase« – Pausenloses Reden als Form autistischer Selbststimulation
Fokussieren von Körperempfindungen beim Analysanden
»Kein Zwerg da!« – Die Beschleunigung des Zeitflusses im Moment der Veränderung
Kapitelzusammenfassung
V Übertragung als Widerstand – Übertragung als Transformation
Übertragung als Widerstand – Zur Kritik der Übertragungsdeutung
Übertragung als Transformation
Die Übertragung verkapselter kinetischer Engramme und die Selbstgrenzen des analytischen Paares
Die Handhabung der Übertragung bei projektiver Identifizierung
Entgiften leiblicher Übertragungsfiguren als Wiedergewinn der autonomen Selbstgrenzen des Analytikers
Assoziation von Körperempfindungen, Entgiftung des Körpers des Analysanden – Die Alpha-Funktion im subjektiven Raum des Analysanden
Die Inbesitznahme des eigenen Körpers mit Hilfe der eigenen Sprache
Die stumme (blande) Übertragung verkapselter Engramme
Übertragung und Begehren – Veränderung geht immer vom Köperselbst aus
Kapitelzusammenfassung
VI Indikation, Setting und psychoanalytische Haltung
Zur Frage der Indikation1
Körperorientierte Aufmerksamkeit als Komponente der freien Assoziation und der gleichschwebenden Aufmerksamkeit
Spezifische Indikationen zur fokussieren Arbeit mit Körperempfindungen
Der psychoanalytische Emanzipationsprozess und das sinnliche Selbst
Zur Frage des Zeitpunkts
Körperorientierung: Arbeit im Sitzen oder im Couch-Setting?
Abgrenzung zu anderen Formen der körperorientierten Praxis
Die Couchsituation begünstigt die Verarbeitung von Körperempfindungen
Die unbewusste Bedeutung der Couch als Körper der Mutter
Polaritäten der psychoanalytischen Haltung
Kapitelzusammenfassung
VII Die freie Assoziation von Körperwahrnehmungen
Eine Erweiterung der Grundregel
Traum und Körperwahrnehmung – Freie Assoziation versus Fokussierung von bedeutsamem Material
Ein Container innerhalb des Containers
Die freie Assoziation von Körperempfindungen
Der Wechsel des Bezugssystems zum symbolischen und imaginativ-ästhetischen Register
»Das Sumpfgefühl« – Bearbeiten einer archaischen Schamproblematik
Kapitelzusammenfassung
VIII Die Prozessgestalt der analytischen Stunde
Voraussetzungen für den Ablauf des dynamischen Prozesses
Ästhetik und psychoanalytischer Prozess
Exposition, Durchführung, Reprise: Die Prozessgestalt der psychoanalytischen Stunde
Die Kurve der kinetischen Spannung im Verarbeitungsprozess
Kapitelzusammenfassung
IX Deutung und Prozess – Die Intervention im Lichte verschiedener Prozesskomponenten
Der psychoanalytische Prozess und seine Voraussetzungen
Die gleichschwebende Aufmerksamkeit als aktive Intervention und die Integration von kinetischen Wahrnehmungen
Sinnliche Deutungsformate und Integration der kinästhetischen Dimension
Intervention und Prozess – Etappen des psychoanalytischen Verarbeitungszyklus
Einschätzen der Wirksamkeit von Interventionen
Kapitelzusammenfassung
Schlussbemerkung und Ausblick
Literatur
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Sebastian Leikert, Dr.en Psychanalyse (Paris), Dipl.-Psych., Psychoanalytiker (DGPT, aff. Mitglied der DPV) niedergelassen in freier Praxis, Lehranalytiker und Supervisor am Heidelberger Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie. Mehrere Buchveröffentlichungen. Publikationen zu klinischen und ästhetischen Fragestellungen u. a. in der Psyche und im International Journal of Psychoanalysis. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse und Musik. Letzte Buchveröffentlichung: Schönheit und Konflikt – Umrisse einer allgemeinen psychoanalytischen Ästhetik (2012). |
(Bernd Kuck, Zeitschrift für Individualpsychologie)
»Leikert zeigt, dass das sinnliche Selbst gegenüber dem Verbalen eigenständig ist und im Therapieprozess eigenen Regeln folgt. Ein wertvolles Buch für die psychodynamische Behandlungspraxis, eine hervorragende Forschungsstudie.«
(M. und W. Prankl, kultur-punkt.ch)
»Er schreibt nicht über Neurosen, die mit den herkömmlichen Instrumenten von durchdachter Übertragung und Gegenübertragung lege artis zu kurieren wären, sondern über traumatische Störungen, die das vitale Körperselbst außer Funktion gesetzt haben. Was er erlitten und gefunden hat sind neue Zugänge zu den ›eingekapselten Missempfindungen‹ ohne die so wünschenswerte Symbolisierungen, die die Sprache zum Hauptinstrument der Genesung macht.«
(Tilmann Moser)
»Besonderen Stellenwert weist Leikert den sensorischen Eindrücken zu und sieht das Selbst des Menschen fundiert im Sensorischen und Kinetischen Repräsentationen. Hierfür findet er den sehr schön überzeugenden Terminus sinnliches Selbst, was auch dem Buch seinen Titel gegeben hat.
Das Faszinosum der Begegnung mit diesen Kernen des Selbst, also den Kernen des Lebendigseins und auch den Kernen des Krankseins ist in seinem Text und insbesondere in seinen Fallbeispielen jederzeit spürbar. Leikerts neue Arbeit ist ein wertvoller Beitrag, die Psychoanalyse aus ihrer Einengung auf Bewusstes und Kognitives zu befreien und sie um die Dimensionen des Sinnlichen zu erweitern. Er unternimmt diese Fortentwicklung des Modells mit überzeugender klinischer Kompetenz und mit beeindruckender modelltheoretischer Sorgfalt. Leikert ist ein großartiger Kliniker und Theoretiker.«
(Reinhard Plassmann, Tübingen)
»Leikerts Anliegen, die psychoanalytische Praxis auf das sinnliche Selbst auszuweiten, überzeugt. Die sehr interessante Theorie wird eingehend dargestellt. (…) Leikert plädiert für mehr Offenheit gegenüber neuen Theorien innerhalb der psychoanalytischen Gesellschaft. Nur eine Vielfalt der Denkweisen bringe den wissenschaftlichen Austausch voran. (…) Das Buch richtet sich an LeserInnen, die mit der Übertragung vertraut sind und das Präverbale vermehrt in ihre Arbeit einbeziehen möchten.«
(Marianne Zweifel, Punktum)