Katja Maurer / Andrea Pollmeier
Haitianische Renaissance
Der lange Kampf um postkoloniale Emanzipation
1. Auflage 2020
228 S., Paperback Großoktav (23,5 x 15,5 cm)
ISBN 978-3-95558-276-0
Jede Idee von einer postkolonialen Ordnung nimmt in Haiti ihren Ausgangspunkt. Die Haitianische Revolution hat mit der Unabhängigkeit 1804 ein neues Kapitel Universalgeschichte geschrieben. Die Normen, die dieser Revolution gesetzt hat – die Universalität der Menschenrechte – sind bis heute unterhintergehbar und werden doch systematisch verletzt.
Aufstände von Kairo bis Port au Prince fordern bei aller Unterschiedlichkeit eine neue Dekolonisierung, die diese Normen auch zu einer gelebten Praxis werden lassen. Es geht um ein Leben in Würde für alle, in dem Anerkennung eines jeden eine Frage von sozialer Gerechtigkeit, aber auch demokratischer Teilhabe ist.
Was dazu von Haiti aus zu lernen und beizutragen ist, zeichnet dieses Buch in Essays, Reportagen und Interviews nach. Zu Wort kommen unter anderem: Raoul Peck, Gary Victor, Suzy Castor Yanick Lahens, Ricardo Seitenfus, Fritz Jean Alphonse.
Kapitel 1: Der lange Kampf um postkoloniale Emanzipation
Das wunderbare Wirkliche
Der Universalismus der Haitianischen Revolution und seine Auslöschung
Schuldenfalle und Extraktivismus
Der wirtschaftliche Niedergang Haitis
Der Hilfe ist nicht mehr zu helfen
Eine Rede von Raoul Peck
Kapitel 2: Krise und Rebellion
Tagebuch eines Aufstandes
Eine Septemberwoche
Gefährliche Hampelmänner
Interview mit Gary Victor zur Krise Haitis
Kapitel 3: Zwei Frauen
Zwischen den Mahlsteinen der Geschichte
Portrait der Historikerin Suzy Castor
Die Exotisierung des Unglücks
Interview mit der Schriftstellerin Yanick Lahens über das mutwillige Verschweigen der Haitianischen Revolution
Kapitel 4: Das Scheitern der Hilfe
Die Katastrophe nach der Katastrophe
Das Erdbeben von 2010 und seine Folgen
Das Waterloo des NGO-Systems
Interview mit dem Anthropologen Mark Schuller über eine postkoloniale Zeitbombe
Kapitel 5: Fatale Rezepte
Ein gescheitertes Megaprojekt
Die Freihandelszone in der Hafenstadt Caracol
Ökonomie der Gewalt
Interview mit Fritz Alphonse Jean über die Privatisierung des Staates
Kapitel 6: Die Vereinten Nationen und Haiti
Missionen mit falschem Ziel
Die USA und die Vereinten Nationen besetzen Haiti
Kronzeuge ohne Anklage
Interview mit Ricardo Seitenfus über die Mechanismen der Einmischung und einen Putschversuch
Kapitel 7: Zementierte Weltverhältnisse
Haiti und die Dominikanische Republik
Über die Manifestation eines ungleichen Verhältnisses
Bürokratie und Willkür
Interview mit Angénor Brutus über Migrationsverwaltung jenseits des Rechts
Kapitel 8: Die Bedeutung der Provinz
Die fatale Vernachlässigung des ländlichen Raums
Hoffnung auf Dezentralisierung: Ein Bericht aus Aquin
Die Republik Port-au-Prince
Interview mit Julien Mérion über den unverwüstlichen Zentralismus
Kapitel 9: Spuren, die aus der Misere führen
Inseln der Inspiration
Vier Beispiele aus Kultur, Bildung, Justiz und Landwirtschaft
Ein Territorium – zwei Länder
Interview mit dem Aktivisten Nixon Boumba über einen Systemwechsel in Haiti
Haitianische Renaissance: Epilog
Eine neue Runde der postkolonialen Emanzipation
Haitis eigener Weg
Dank
Literatur
Biografien
Zeittafel
Karte
Katja Maurer ist Journalistin und Mitarbeiterin von medico international. Sie leitete viele Jahre die Öffentlichkeitsarbeit der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation. |
Andrea Pollmeier ist Kulturjournalistin. Seit Ende der Duvalier-Diktatur hat sie regelmäßig in Haiti recherchiert. Sie schreibt als freie Autorin u. a. für das Feuilleton der Frankfurter Rundschau. |
(Latizón TV)
»Im letzten Kapitel des Buches ›Spuren, die aus der Misere führen‹, werden Ansätze zu neuen möglichen Entwicklungen zu einem neuen eigenen Weg von Haiti angedeutet. ›Noch ist offen, in welcher Weise sich Haiti auf eine eigenständige Zukunft zu bewegt. Keinesfalls ist es das sich selbst aufgebende Land, als das es in westlichen Medien meist sichtbar wird.‹«
(Martin Geisz, globlern21.de)
»Dem Buch kommt der Verdienst zu, die jüngsten und seit 2018 anhaltenden politischen Konflikte in Haiti nicht nur als Moment der Krise zu schildern, sondern als Aufbruch und damit kontrafaktisch zu der üblichen Erzählung. Haitianische Renaissance schildert eindrucksvoll und ohne die haitianischen Eliten freizusprechen, wie Haitis Entwicklung immer wieder Steine in den Weg gelegt wurden.«
(Martin Ling, Lateinamerika Nachrichten)
»Im vorliegenden Band finden sich Beiträge vereint, welche eurozentrischen Narrativen und Dichotomien dekoloniale Positionen und emanzipatorische Perspektiven gegenüberstellen. In Interviews, Essays und Reportagen beschäftigen sich Haitianer_innen, internationale Beobachter_innen und Aktivist_innen aus globalgeschichtlicher Perspektive etwa mit dem Scheitern des Universalismus der Haitianischen Revolution, den negativen Konsequenzen des Extraktivismus oder dem Versagen der Entwicklungspolitik. (…) Vorgestellt werden aber auch eigenständige Entwicklungen und Akteur_innen des Widerstands gegen globale Ungleichheiten, die Anlass zur Hoffnung bieten und jene Potenziale einer Dekolonisierung aufzeigen, die man vom Beispiel Haiti lernen könnte.«
(C3 – Bibliothek für Entwicklungspolitik)
»Wie kann ein ehemals reiches Land sich entwickeln, das nach seiner Unabhängigkeit 1804 boykottiert wurde, bis in die 50er Jahre Reparationszahlungen an Frankreich leisten musste und von seiner eigenen Elite ausgebeutet wird? Die Autorinnen untersuchen Klischees und lassen viele Experten der haitianischen Geschichte zu Wort kommen.«
(missio magazin, 4/2020)
»Das Buch legt die Einsicht nahe, dass es an der Zeit ist, über den Begriff des Globalen Südens hinauszudenken und den Mikrogeschichten Raum zu geben, die zeigen, was für widerständige Alltagskulturen es weltweit gibt. Es braucht Narrative, die daran erinnern, wie eng die Geschichte Europas mit der anderer Länder verflochten ist. Haitianische Renaissance schafft einen unerwarteten Fluchtpunkt: Es lädt dazu ein, Europa und seine Werte von Haiti aus neu zu denken.«
(Ursula Grünenwald, faustkultur.de, 7/2020)
»Haitianische Renaissance ist kein Geschichtsbuch im strengen Sinn. Die 20 jeweils auch einzeln lesbaren Analysen, Interviews und Kommentare werfen ein neues Licht auf die Gegenwart des Inselstaats. (…) Derzeit wird auch in Hilfsorganisationen wieder über Rassisimus und die Kontinuität kolonialer Denkweisen diskutiert. Auch für diese Debatte erscheint das lesenswerte Buch zur richtigen Zeit.«
(Moritz Elliesen, weltsichten, 10/2020)
»Dieser Sammelband tritt dem Stereotyp von Haiti als ›Armenhaus der westlichen Hemisphäre‹ und des ›hoffnungslosen Falls der humanitären Hilfe‹ entgegen. (…) Der Wechsel zwischen Analyse, Kommentar und Interview wirkt auflockernd. (…) Insgesamt gelingt es, die in der medialen Berichterstattung oft grell geschilderte Gegenwart des Inselstaates in einen verständlichen Kontext zu setzen.«
(Jürgen Kreuzroither, lateinamerika anders)