Maria Teresa Diez Grieser
Körperlichkeit, Äquivalenzmodus und die Fähigkeit zur Reverie als Basis für gelingendes Mentalisieren
Wenn Kinder und Jugendliche, die sich in psychotherapeutischer Behandlung befinden, im Umgang mit sich und anderen, mit ihren inneren Welten und der äußeren Realität im Äquivalenzmodus sind, kommt es zu Verwirrungen und Verstrickungen. Gleichzeitig geben sie den Psychotherapeut*innen dadurch die Möglichkeit, ihre innere Welt zu sehen und intensiver nachzuempfinden. Eine resonante, mentalisierende Haltung und Interaktionsgestaltung, die neben der fokussierten auch eine freischwebende Aufmerksamkeit im Sinne der Reverie einbezieht, ermöglicht emotionale Begegnungen, welche die Basis für therapeutische Veränderungsprozesse darstellen. Diese werden durch die Förderung des Mentalisierens vorangetrieben, welches sich auf den Körper und die zwischenleiblichen Phänomene in Beziehungen als Ausgangspunkt für Begegnungsmomente fokussiert. Anhand von drei Fallbeispielen aus psychotherapeutischen Behandlungen werden die theoretischen Überlegungen ausdifferenziert und illustriert.
Schlüsselwörter: Mentalisieren, Äquivalenzmodus, Reverie, Begegnungsmomente, Körper.
Julia Gerlach
Magisches Denken und Zeit
... als wenn die Analyse nie zu Ende ginge
Der Text untersucht mithilfe von kasuistischem Material Zeitphänomene im magischen Denken. Magisches Denken ist im frühen Kindesalter und auch später als Teil der kindlichen Entwicklung zu beobachten. Das Finden kreativer Lösungen, das Erforschen der Welt mit den förderlichen Implikationen auf die Fähigkeit zu denken und das Ertragen von Getrenntheit kann mithilfe des magischen Denkens abgesichert werden. Es wird aber auch gezeigt, wie magisches Denken in der Abwehr von Getrenntheit eine verhärtete Form annehmen kann. In diesem Fall übernimmt die mit Getrenntheit verbundene Angst die Vorherrschaft und behindert Entwicklung. Ein Lösungsversuch in der Analyse des Übertragungsprozesses wird geschildert.
Schlüsselwörter: magisches Denken, Zeit, Kreativität, Übertragung, Illusion.
Annegret Wittenberger
Magisches Denken – Störung, Abwehr oder Quelle der Kreativität?
Anhand der Theorien von Freud, Klein und Bion wird dargestellt, wie das magische Denken und seine Überwindung im Kindesalter hilft, die für das seelische Wachstum entscheidenden Entwicklungsphasen zu bewältigen. Mit Segals Theorie zur Symbolisierung erkennen wir in M. C. Eschers Bildern die Umsetzung des magischen Denkens in einen kreativen Schaffensprozess. Und schließlich wird an zwei Fallbeispielen aus Journalismus und Analyse aufgezeigt, wie unerträgliche Gefühle unter Einsatz des magischen Denkens manisch abgewehrt werden können.
Schlüsselwörter: psychosexuell-kognitive Entwicklung, Symbolisierung, bildende Kunst, Unbewusstes in Transition und Kinderanalyse.
Reinhard Fatke
»Kinder denken nicht in Begriffen, sondern vornehmlich in Bildern, in Symbolen«
Zu Hans Zulligers Konzept des »magischen Denkens« beim Kind
Dass Kinder anders denken als Erwachsene, zeigt sich immer wieder neu im täglichen Umgang mit Kindern im Vorschulalter. Während lange Zeit das kindliche Denken an dem von Erwachsenen gemessen wurde, wodurch es als defizitär erschien, schälte sich im 20. Jahrhundert die Erkenntnis heraus, dass die Andersartigkeit eine qualitativ eigenwertige Entwicklungsstufe darstellt, die eine notwendige Funktion für die weitere Entwicklung des Kindes erfüllt. Dies erschließt sich, wenn nicht nur die formalen Merkmale, sondern die Inhalte des kindlichen Denkens und deren Verbindungen mit den Affekten des kindlichen Erlebens untersucht werden. Das war und ist das Anliegen der Psychoanalyse und der Psychoanalytischen Pädagogik. Einer ihrer herausragenden Vertreter war Hans Zulliger. Dessen Konzept des »magischen Denkens« steht im Mittelpunkt dieses Beitrags. Zunächst werden die wesentlichen Merkmale dieses Denkens skizziert. Sodann wird in einem kurzen Exkurs die einflussreiche Konzeption Jean Piagets skizziert, der ebenfalls die Andersartigkeit kindlichen Denkens herausgearbeitet hat, allerdings hauptsächlich in formaler und struktureller Hinsicht. Anschließend werden aus psychoanalytischer Sicht und anhand konkreter Fallbeispiele die Ausdrucksweisen des magischen Denkens, seine Bedingungen und Funktionen sowie die allgemeine Bedeutung dieses Denkens für die weitere Entwicklung des Kindes behandelt. Abschließend wird überlegt, wie Erwachsene mit dem magischen Denken von Kindern umgehen sollten, bevor ein Resümee den Beitrag beschließt.
Schlüsselwörter: Zulliger, Phantasie, Symbolisierung, Kognition, kindliche Entwicklung, Piaget.
Tillmann F. Kreuzer
Imaginäre Gefährten
Imaginäre Gefährten sind uns aus Tagebucheinträgen, besonders in Gestalt der Kitty von Anne Frank, oder aus kindertherapeutischen Behandlungen bekannt. Oftmals sind es phantasierte Freunde, beseelte Puppen oder Kuscheltiere, welche sich Kinder in ihrem Entwicklungsprozess zur Seite stellen und sich somit einen Erweiterungsraum schaffen. Dabei handelt es sich in der Regel nicht um pathologische Phänomene; eher können sie als Übergangsobjekte, die als dauerhaft den Alltag der Kinder begleiten, verstanden werden. Nach theoretischen Implikationen wird anhand ausgewählter literarisch imaginierter Gefährten und belebter Übergangsobjekte auf die Wirkmächtigkeit und ihre Funktionen eingegangen.
Schlüsselwörter: imaginäre Begleiter, Übergangsobjekt, Mentalisierung, Tiefenhermeneutik.