Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie
Zeitschrift für Psychoanalyse und Tiefenpsychologie
Digitale Welten
E-Journal (pdf) – Heft 194, 53. Jg., 2/2022
Inhalt
Vorwort
Beitrag 1
Vera King
Unwiderstehliche Medien – Psychische Entwicklungen der Adoleszenz im digitalen Zeitalter
Beitrag 2
Anna Gätjen
Immer online?
Was macht das Smartphone im Behandlungsraum?
Beitrag 3
Jan van Loh
Digitale Übergangsphänomene
Beitrag 4
Johannes Döser
Vom Zauber der Smartphones und von der Entzauberung der digitalen Welt
Beitrag 5
Ellen Lang-Langer
»They will kidnap me«
Buchbesprechungen
Die Autorinnen und Autoren des Heftes
Ankündigungen
Vera King
Unwiderstehliche Medien – Psychische Entwicklungen der Adoleszenz im digitalen Zeitalter
Im Beitrag werden Merkmale der Digitalisierung und ihre Folgen für Aufwachsen und psychische Entwicklungen in der Adoleszenz diskutiert. Mit im Zentrum steht dabei, wie sich der Charakter von Erfahrung selbst verändert: Über die ständige Verbindung zu Anderen wandeln sich die Bedeutungen von An- und Abwesenheit, von Zeit und Raum, von Drinnen und Draußen, Nähe und Distanz. Im Zuge dessen erlangen Getrenntheit und Bezogenheit, aber auch Außen- und Innenwelten und somit auch adoleszente Ablösung und Individuation neue Formen und Bedeutungen. Die digitalen Möglichkeiten begünstigen oder bedienen zudem defensive Mechanismen. Im psychodynamischen Sinne abwehrende Trennungsvermeidung durch stetes Online-Sein ‒ oder Abwehr von Bindung und Begegnung etwa durch Hin- und Herswitchen zwischen On- und Offline, sind Bestandteile einer normalen, von allen geteilten Praxis geworden. Sie können in der Adoleszenz phasenweise hilfreich sein, aber auch Entwicklungen hemmen und Integrationsprozesse verzögern. Und je mehr digitale Welten geradezu omnipräsent den Alltag bestimmen, umso stärker wirken die damit verknüpften Optimierungsmechanismen und digitalen Sogkräfte.
Schlüsselwörter: Digitalisierung, Adoleszenz, Affekt- und Beziehungsregulation, Optimierung.
Anna Gätjen
Immer online?
Was macht das Smartphone im Behandlungsraum?
Der Gegenstand dieses Aufsatzes sind Wünsche, Ängste und Konflikte, die sich im Umgang mit dem Smartphone in der klinischen Behandlungssituation in Szene setzen. Der Umgang mit dem Smartphone wird in ein Verhältnis zum adoleszenten Entwicklungsprozess gesetzt. Nach allgemeinen Anmerkungen wird eine klinische Einzelfallstudie, die sich an der narrativen Tradition der Psychoanalyse orientiert, vorgestellt. Die Ergebnisse der Bedeutungen individueller Verwendungen des Smartphones in der klinischen Situation werden im Weiteren nach übergeordneten Gesichtspunkten diskutiert und in den Kontext allgemeiner theoretischer Überlegungen zum Gebrauch digitaler Medien in der Adoleszenz gestellt.
Schlüsselwörter: Smartphone, Adoleszenz, Jugendlichen-Psychotherapie, subjektive Bedeutungen.
Jan van Loh
Digitale Übergangsphänomene
In der Therapie von Kindern und Jugendlichen begegnen Therapeutinnen und Therapeuten klinisch bedeutsame Phänomene, die sich am Übergang zwischen digitaler und realweltlicher Sphäre bewegen. Dazu zählen Action-Figuren und Marketing-Produkte von Filmgestalten ebenso wie Kostüme von Charakteren aus Videospielen oder digitale Selbstmodifizierungen, die als manipulierte Selbstbilder ins Internet gestellt werden, um Feedback in Form von Likes zu erzeugen, bis hin zu Gruppen-Imitationsverhalten im Anschluss an TV-Serien. Anhand von Winnicotts Begriff der Übergangsphänomene wird eine Reihe dieser Erscheinungen beschrieben und hinsichtlich ihrer psychischen Dynamik zwischen Technologie und heranwachsendem Subjekt durchgearbeitet.
Schlüsselwörter: Computerspielsucht, Soziale Medien, Übergangsphänomene, digitale Störungen.
Johannes Döser
Vom Zauber der Smartphones und von der Entzauberung der digitalen Welt
Das Leben der Kinder und Jugendlichen in unserer Zeit findet längst »onlife« (Floridi) statt. Was heißt das für uns in der Praxis? Was hat es auf sich, wenn Kinder ihre Smartphones in die psychotherapeutischen Sitzungen mitbringen? Wie können und sollen wir uns auf diese neuen Möglichkeiten einstellen? Wie damit umgehen? Beim Nachdenken über Zauber und Entzauberung der ›smarten‹ Welt digitalen Lebens versucht sich diese kleine klinische und kulturpsychoanalytische Skizze an einigen Antworten zu den komplexen Fragen, die die Auseinandersetzung mit den neuen Medien und Geräten aufwirft.
Schlüsselwörter: Digitale Medien, Kulturwandel, Mensch-Technik-Interaktion, Smartphone, Therapieprozess, virtuelle Realität.
Ellen Lang-Langer
»They will kidnap me«
In dieser Arbeit versuche ich, verschiedene Stadien der Entwicklung eines neunjährigen Patienten mit ausgeprägten autistischen Zügen zu beschreiben. Ich beschreibe auch meine Schwierigkeit, diese Entwicklung zu begreifen und zu begleiten.
Schlüsselwörter: Autismus, Sprache, Entwicklung, Trauma, Gegenübertragung.