
Sieglinde Eva Tömmel
Psychoanalyse der weiblichen Entwicklung
Frauen und ihre gesellschaftliche Unbewusstheit
1. Auflage 2024
248 S., Paperback Großoktav (24 x 17 cm)
ISBN 978-3-95558-351-4
Trotz der Bewunderung für Sigmund Freuds Werk im Allgemeinen und trotz der anhaltenden Wertschätzung seines Gesamtwerkes ist seine Theorie der Weiblichkeit zu dekonstruieren und neu zu formulieren: Dazu gehört die Eliminierung seiner männerdominierten Begrifflichkeiten wie Kastration, Penisneid, mangelndes Überich, ödipaler Komplex, Untergang des Ödipuskomplexes als Einlaufen in den väterlichen Hafen aufgrund mangelnder Kastrationsangst usw. Diese von Freud eingeführten Begriffe sind nicht mehr nur in Frage zu stellen – das werden sie von zahlreichen Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytikern schon seit langer Zeit –, sondern sie sind durch passendere, wissenschaftlich gesichertere Begriffe und Hypothesen bzw. in einer methodisch reflektierten Theorie zu ersetzen.
Frauen lieben und hassen, sie bewundern und unterwerfen sich; sie idealisieren Männer als Väter und Beschützer, zuweilen bewusst, meist eher unbewusst. Schicht- und Klassenangehörigkeit bedingen Unterschiede: Es ist die Frage, ob Frauen in der Mehrheit durch einfache oder doch auf sehr komplexe psychische Weise diskriminiert werden. Das hängt von zahlreichen gesellschaftlichen und individuellen Faktoren ab, die im Einzelnen zu benennen sind.
Erstes Kapitel: Annäherungen an ein schwieriges Thema
1. Die Situation von Frauen, weltweit
2. Paradigma männlicher Herrschaft: Die Kabylen in Nordafrika
3. Die Studie Bourdieus und die Weiblichkeitstheorie Freuds – erster Vergleich
4. Fallbeispiele aus unterschiedlichen Kulturen
4.1 Frauen im Iran: Cyra
4.2 Frauen in Afghanistan: Darya
4.3 Eine Krankengeschichte
4.4 Frauen in Europa: Mathilde, Thea und Sofia
5. Was ist das Gemeinsame?
Zweites Kapitel: Von Natur aus anders?
1. Warum ist es wichtig, die Unterschiede zwischen Männern und Frauen, besser, zwischen männlich und weiblich, so weit wie möglich zu klären?
2. Eine Fantasie über einen selbst gewählten Platz auf einer gedachten Skala von männlich und weiblich
2.1 Beispiel
3. Kultur und Konstruktion
3.1 Ein alltägliches Beispiel
4. Bericht einer Kinderärztin
5. Die Gauß’sche Normalverteilung der Intelligenz
5.1 Wie unterscheiden sich die Gehirne und Hirnstrukturen von Frauen und Männern?
5.2 Das Marburger Hochbegabtenprojekt
6. Einige empirische Ergebnisse Doris Bischof-Köhlers
7. Ilka Quindeaus Überlegungen zur Auflösung von Geschlechtsidentitäten
Drittes Kapitel: Die gesellschaftliche Konstruktion weiblicher Wirklichkeit
1. Die Theorie der gesellschaftlichen Konstrukte von Weiblichkeit
2. Beispiel für die Entstehung des »Vorhofs von Institutionalisierung«
3. Fallbeispiel: Aleyna
4. Chancen für Frauen
5. Einige Bemerkungen zur Sozialisation von Frauen und Mädchen
Viertes Kapitel: Weibliche Unbewusstheit
1. Die Entstehung des Unbewussten
1.1 Fallbeispiel
2. Entdeckung und Wandel von Inhalt und Begriff des Unbewussten bei Freud – von der Hypnose zur Psychoanalyse
2.1 »Unbewusste Konflikte machen krank«
2.2 Fallbeispiel
3. Die Forschungen zum Unbewussten von Eric Kandel
3.1 Marie-Anne: Der Fall einer früh missbrauchten Patientin als Beispiel für eine Falldeutung
3.2 Drei Bedeutungen des Unbewussten
4. Die Bedeutung des Unbewussten bei Mark Solms: Traumdeutung
4.1 Traumbeispiele einer Migrantin
5. Das große Unbewusste Antonio Damasios
5.1 Anwendungen in der psychoanalytischen Praxis
5.2 Fallbeispiel: Marie
6. Was ist weibliche Unbewusstheit?
Fünftes Kapitel: Psychoanalyse der weiblichen Entwicklung
1. Es muss dennoch darüber geredet werden: Freuds Theorie der weiblichen Entwicklung
1.1 Ein Beispiel aus der therapeutischen Praxis
2. Freuds »Prinzessin« – Marie Bonaparte in Analyse bei Freud
3. Frühe Einwände gegen Freuds Theorie der weiblichen Entwicklung
4. Das neue weibliche Selbstbewusstsein innerhalb und außerhalb der Psychoanalyse
5. Neuere Schriften von Frauen über Frauen
6. Ein Gedankenexperiment oder: Vorschlag zu einem Perspektivwechsel
6.1 Ein Beispiel aus der Praxis
7. Psychoanalyse der weiblichen Entwicklung
7.1 Der weibliche Wunsch nach einem Kind
7.2 Sinnlichkeit in der frühen Mutter-Tochter-Beziehung
7.3 Die orale und die anale Phase
7.4 Der Identifikationswechsel des Jungen
7.5 Die klitorale Phase des Mädchens, die phallische Phase des Jungen
7.6 Der ödipale Konflikt des Jungen, der Elektra-Konflikt, der Antigone-Konflikt oder doch eher der Brünhild-Konflikt des Mädchens?
7.7 Eine weitere Fallgeschichte zeigt eine andere Entwicklung: Isy
7.8 Latenz
7.9 Adoleszenz
7.10 Sarah
7.11 Samira
8. Zur Psychoanalyse erwachsener und älter werdender Frauen
9. Zusammenfassung und Ausblick
Literatur
(Annemarie Jost, socialnet.de)
»Das Buch liest sich wie ein Krimi. Wenn man anfängt, mag man es gar nicht mehr weglegen. Es fasst in sehr deutlichen und klaren Sätzen zunächst zusammen, was in meiner psychoanalytischen Ausbildung gelehrt wurde. (...) Das Reizvolle daran ist: Die Lektüre ist immer spannend und unterhaltsam. Das Engagement der Autorin ist von der ersten Seite an zu spüren. In ihren Einschätzungen hält sie sich nicht mit diplomatischen Verrenkungen auf. Die Autorin schreibt ohne Larmoyanz, die bei diesem Thema selten fehlt. Bei aller Kritik der Weiblichkeitstheorie Freuds ist es der Autorin jedoch immer wichtig, dessen einmalige Verdienste zu würdigen (...). Die Lektüre des Buches schärfte meinen Blick im Alltag, ebenso zur Einschätzung moderner und klassischer Literatur wie zu gesellschaftlichen Veränderungen und Tendenzen im Leben von Frauen und, nicht zuletzt, zum Besten für meine Patienten.«
(Dr. med. Clarissa Herdeis, Psychoanalytikerin)