
Thomas von Freyberg / Angelika Wolff (Hrsg.)
Störer und Gestörte
Band 2: Konfliktgeschichten als Lernprozesse
2. Auflage 2022
296 S., Paperback DIN A5
ISBN 978-3-86099-824-3
Beiträge von Rose Ahlheim, Sandra Brüning, Christel Burkard-Grimm, Frank Dammasch, Thomas von Freyberg, Irene Herrmann, Gerhard Kopplow, Nicole Stöckl, Angelika Wolff, Tatjana Zens
Der zweite Band von Störer und Gestörte enthält themenbezogene Betrachtungen sowie die Darstellung von Bedingungen und Möglichkeiten, die Spiralen eskalierender Konfliktgeschichten zu unterbrechen, aus dem Scheitern und von den »Störern« zu lernen, Verstrickungen produktiv einzusetzen und interdisziplinäre Kooperation zu nutzen.
Die Arbeit mit schwierigen Kindern und Jugendlichen könnte um einiges leichter und kreativer sein, wenn das heimliche erste Gebot von Schule seine Macht verlieren würde: Du darfst nicht versagen! Du darfst keine Fehler machen! Wenn dieser grundsätzliche Wandel sich auch in der beruflichen Haltung durchsetzen und nicht immer sanktioniert, vertuscht und vermieden würde.
Der zweite Band von Störer und Gestörte liefert Ansätze produktiver kollegialer und interdisziplinärer Zusammenarbeit exemplarisch für drei Themenbereiche: präventive Intervention im Vorschulbereich, Kooperation von Regelschule, Sonderschule und Jugendhilfe und die Bearbeitung von Migrationskonflikten.
Bis zu 10 Prozent aller Schülerinnen und Schüler verlassen die Schule vorzeitig oder schwänzen systematisch. Nicht beschulbare Jugendliche treiben über Jahre in einem quälend destruktiven Prozess. Ihre Lehrer und Helfer scheitern resignierend. Wolff und von Freyberg zeigen in exemplarischen Einzelfallanalysen die Konfliktdynamik zwischen Jugendlichen, Lehrern und Schule auf und bereiten damit Lösungswege vor. Es gibt Jugendliche, die ihre Erzieher, Lehrer und Sozialarbeiter in schier endlose und eskalierende Konflikte verstricken. Konflikte, aus denen es schliesslich nur noch einen Ausweg zu geben scheint: den Abbruch der Arbeit und der Beziehung.
Wie aber schaffen es diese besonders schwierigen, nicht schulfähigen oder nicht beschulbaren Jugendlichen, dass kompetente und erfahrene und nicht selten engagierte Lehrer und professionelle Helfer sich hilflos in Konflikte mit ihnen verstricken lassen, dabei häufig ihre Professionalität einbüssen? In einem interdisziplinäres Forschungsprojekt haben Soziologen und Psychoanalytiker in aufwendigen Einzelfallstudien Konfliktgeschichten nicht beschulbarer Jugendlicher untersucht. Ihre Frage: Was treibt diese erbitterten Kämpfe um Macht und Kontrolle an, die sich über Jahre hinwegziehen können, in deren Verlauf sich Täter und Opfer, Störer und Gestörte immer ähnlicher werden und an deren Ende nur besiegte Sieger und siegreiche Verlierer stehen? Wolff und von Freyberg entschlüsseln im spannungsreichen Wechselspiel von soziologischem und psychoanalytischem Fallverstehen, welche Kräfte, Motive und Interessen auf beiden Seiten die Konflikte eskalieren lassen und wie individuelle und institutionelle Konfliktdynamik und Konfliktmuster sich dabei fatal ergänzen und verstärken.
Eine Schule, die Störer nicht länger aussondern und abstossen muss, sondern aus den Konflikten mit ihnen lernen und sich verändern kann, wäre sicher eine bessere Schule für Lehrer ebenso wie für Schüler. Vor allem wäre sie ein guter sozialer Ort und damit auch ein besserer Lernort.
Vorwort
Kapitel I
Konfliktgeschichten als Lernprozesse - eine Einleitung
Thomas von Freyberg/Angelika Wolff
1.1 Das Forschungsprojekt
1.2 Befunde - eine Zusammenfassung
1.3 Bemerkungen zur Gegenübertragung im institutionellen Kontext
1.4 Keine Lösungen - aber eine andere Perspektive
Kapitel II
Kooperation und Arbeitsbündnisse - der Fall Falko
Rose Ahlheim/Thomas von Freyberg
2.1 Schule und Jugendhilfe - Aspekte einer gestörten Beziehung: Vier Fallskizzen
2.2 Exkurs zur Geschichte einer verhinderten Beziehung
2.3 Falko: Erfolgreiche Arbeit in einem aussichtslosen Fall
2.4 Aspekte der Integration von Förder- und Hilfeprozessen
2.5 Psychoanalytischer Fallbericht - ein Kommentar
Kapitel III
Der Schulstörer, die mächtige Mutter und das Problem mit dem väterlichen Gesetz
Frank Dammasch
3.1 Das väterliche Gesetz und die Familie
3.2 Das väterliche Gesetz und die Schule
3.3 Der Fall Emil - der verworfene Vater
3.4 Der Fall Gülan - der vernichtende und idealisierte Gottvater
3.5 Schulisches Lernen und der idealisierte Vater
3.6 Zusammenfassende Thesen
Kapitel IV
Der fehlende und der notwendige Dritte in den Konfliktgeschichten nicht beschulbarer Jugendlicher
Thomas von Freyberg/Angelika Wolff
4.1 Der Mythos vom Neuanfang
4.2 Zur Bedeutung von Schule für die psychische Entwicklung des Kindes aus psychoanalytischer Sicht
4.3 Das Instrument der kollegialen und interdisziplinären Fallberatung
4.4 Psychoanalytische Supervision
Kapitel V
Prävention durch frühe Hilfe und Förderung
Christel Burkard-Grimm/ Thomas von Freyberg/Irene Herrmann
5.1 Das Modellprojekt »Erziehungshilfen in einer Kindertagesstätte«
5.2 Auf dem Weg zu Fallorientierung und Fallverstehen
5.3 Entwicklungsberichte - Fallberichte
5.4 Zwischenbilanz und Ausblick nach fünf Projektjahren
5.5 Aus einer Fallsupervision - das Mädchen Klara
Kapitel VI
Integration durch Kooperation
Sandra Brüning/Gerhard Kopplow/ Nicole Stöckl/Tatjana Zens
6.1 Grundlagen der Kooperation zwischen Sonderschule und allgemeiner Schule
6.2 Das Kooperationsprojekt unserer Schule
6.3 Drei Fallberichte aus dem Kooperationsprojekt
6.4 Eine vorläufige Bilanz
Schlussbemerkungen der Herausgeber
Autorinnen und Autoren
Literatur Band 1 und 2
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Angelika Wolff, Studium der Soziologie und Erziehungswissenschaften, Lehrerin. Seit 1987 analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin. Leiterin des Instituts für analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie in Frankfurt am Main (1991–2003), dort Dozentin und Supervisorin. |
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Thomas von Freyberg, Studium der Theologie, Pädagogik und Soziologie, Dissertation (1977) und Habilitation (1982) in Frankfurt am Main. Zwischen 1968 und 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialforschung an der Universität Frankfurt am Main. |
»Zusammenfassend können die Ergebnisse der Studie nicht nur fundierte Aussagen über Störer und Gestörte machen, sondern auch über den allgemeinen Zustand des Schul- und Jugendhilfesystems, in dem sich ja nicht nur schwer gestörte und unbeschulbare Kinder und Jugendliche bewegen.«
(Dr. Oliver Hechler, Psyche)
»Der vorliegende Forschungsbericht ist eine äußerst anregende Lektüre für all diejenigen, die die Thematik schulischer Konflikte genauer erörtern möchten (…), denn biographische Einblicke in Verhaltensauffälligkeiten und ihre institutionelle Einbindung können in der Tat sorgfältig Auskunft geben über erforderliche pädagogische, aber auch therapeutische Hilfen.«
(Vera Moser, Erziehungswissenschaftliche Revue)
»Selten habe ich ein fachlich so gut ausgewiesenes Buch gelesen, das die schwierige persönliche und institutionelle Entwicklungsgeschichte nicht beschulbarer Jugendlicher in einer solchen Klarheit darstellt und den Leser in einer oft atemberaubenden Weise daran teilhaben lässt. Es wäre wünschenswert, wenn dieses Buch eine möglichst große Verbreitung auch unter Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen erreichen würde.«
(Prof. Dr. Bernd Ahrbeck, Sonderpädagogische Förderung)