Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie
Zeitschrift für Theorie und Praxis der Kinder- und Jugendlichen-Psychoanalyse und der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie
Psychoanalyse der weiblichen Identität, Teil I
Printausgabe – Heft 165, 46. Jg., 1/2015
Inhalt
Vorwort
Karin Flaake
Neue Konstellationen für Identitäten von Frauen
Potenziale einer in der Paarbeziehung geteilten Elternschaft
Inge Seiffge-Krenke
Identität, Körper und Weiblichkeit in Jugendtagebüchern
unter spezieller Berücksichtigung der Tagebücher Karen Horneys
Iris Nikulka
Das Drama der Urszene in der psychoanalytischen Behandlung einer jugendlichen Hysterika
Jasmin Craighead
»Ich bin keine Muttertochter mehr!«
Eine zu Therapiebeginn 15-jährige Jugendliche entwickelt sich vom »Kumpeltyp« zur vitalen, jungen Frau
Ute Auhagen-Stephanos
Mütter auf dem Weg der künstlichen Befruchtung: »Woher willst Du wissen, was Gottes Wille ist?«
Buchbesprechungen
Die Autorinnen und Autoren des Heftes
Ankündigungen
Karin Flaake
Neue Konstellationen für Identitäten von Frauen
Potenziale einer in der Paarbeziehung geteilten Elternschaft
Im Zentrum stehen Ergebnisse einer empirischen Studie über veränderte Möglichkeiten für Identitäten von Frauen unter Bedingungen, in denen traditionelle geschlechtsbezogene Zuordnungen weitgehend aufgehoben sind: Mütter und Väter haben sich die Familienarbeiten von Anbeginn an gleichgewichtig geteilt und die Frauen sind kontinuierlich erwerbstätig. Diskutiert werden die dadurch eröffneten Entwicklungschancen für Mütter und Töchter, aber auch die inneren Barrieren, die der Umsetzung einer solchen Form der Lebensgestaltung entgegenstehen.
Schlüsselwörter: Familie, Familienbeziehungen, Mütter, Töchter, Weiblichkeit.
Inge Seiffge-Krenke
Identität, Körper und Weiblichkeit in Jugendtagebüchern unter spezieller Berücksichtigung der Tagebücher Karen Horneys
Narrative sind besonders aufschlussreich in Bezug darauf, wie Jugendliche die Identitätsexploration bezüglich des Körpers und der sich entwickelnden Weiblichkeit erleben. Dieser Beitrag untersucht daher Tagebücher Jugendlicher mit besonderem Fokus darauf, wie der Körper und die sich entwickelnde weibliche Identität darin geschildert werden. Dazu wird ein Vergleich der drei Jugendtagebücher von Karen Horney mit 40 Tagebüchern gleichaltriger Mädchen vorgenommen. Mädchentagebücher weisen zu allen Zeiten relativ viele Eintragungen zum Körper auf, häufig mit einem negativen Vergleich zu anderen Mädchen. Freundinnen sind allerdings auch diejenigen, die bei der Exploration des sich verändernden Körpers und der Entwicklung einer weiblichen Geschlechtsrolle auf weibliches Verhalten stützend und korrigierend einwirken. Im Kontrast zu ihren späteren Schriften, in denen Weiblichkeit, Mutterschaft und Körper sehr prominent sind, fällt in Karen Horneys Mädchentagebüchern eine extrem seltene Beschreibung und Bewertung des Körpers sowie ein Fokus auf der Mutter bei fast völligem Fehlen von gleichgeschlechtlichen Mädchenbeziehungen in ihrer Funktion als »Entwicklungshelfer« auf. Dies ändert sich allerdings drastisch zu dem Zeitpunkt, in dem sie ihre ersten Liebesbeziehungen eingeht: Körper und Weiblichkeit werden nun sehr prominent in ihrem Tagebuch einer jungen Erwachsenen.
Schlüsselwörter: weibliche Identität, relationale Identität, Tomboy, Mädchenfreundschaften, Tagebuch, Adoleszenz, Karen Horney.
Iris Nikulka
Das Drama der Urszene in der psychoanalytischen Behandlung einer jugendlichen Hysterika
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Bedeutung der Urszenenphantasie für die Ätiologie der adoleszenten Hysterie. Anhand einer Fallgeschichte wird gezeigt, wie das Phantasma einer destruktiven Urszene zum Fixierungspunkt des psychosexuellen Lebens einer Jugendlichen wird. Die Urszene stellt für die Patientin eine hochgradige Bedrohung dar, die sie mit Gefühlen der Angst, der Isolation und der unendlichen Einsamkeit konfrontiert. Dadurch mutiert die Urszene zum Urtrauma, das die Patientin nur überleben kann, indem sie es immer wieder in ihren hysterischen Enactments und Ängsten in Szene setzt und kompromisshaft abwehrt.
Schlüsselwörter: Hysterie, Urszene, Stimulation, Weiblichkeit, Entwicklung im Jugendalter, Eltern-Kind-Beziehung.
Jasmin Craighead
»Ich bin keine Muttertochter mehr!«
Eine zu Therapiebeginn 15-jährige Jugendliche entwickelt sich vom »Kumpeltyp« zur vitalen, jungen Frau
Während des Behandlungsverlaufs einer bei Behandlungsbeginn 15-jährigen Patientin wurden vier Phasen bzw. Szenen deutlich, anhand derer die Entwicklung der weiblichen Identität sichtbar, wahrnehmbar und spürbar werden konnte. Die Schritte, die die Patientin dabei Stück für Stück ging, werden nachgezeichnet, um das allmählich möglich gewordene, wenn auch sehr vorsichtige Frauwerden darzustellen.
Schlüsselwörter: frühe Beziehungserfahrungen, neue Beziehungserfahrungen, Autonomiebestrebungen, Selbstbestimmung, weibliche Identität.
Ute Auhagen-Stephanos
Mütter auf dem Weg der künstlichen Befruchtung: »Woher willst Du wissen, was Gottes Wille ist?«
Vor allem in den USA existiert ein großer Fruchtbarkeitsmarkt als Ausdruck einer Medizin des Forderns, der Teil des heutigen Markts ist, der den menschlichen Körper als Handelsware versteht. Seit über 35 Jahren befasse ich mich mit der Psychotherapie von Frauen mit Fruchtbarkeitsstörungen. Ca. 20% meiner Patientinnen bekamen mit oder ohne gynäkologische Unterstützung ein Kind. Ferner wird eine psychologische Studie über IVF-Kinder und deren Eltern vorgestellt. Es wird über das Zellgedächtnis von Embryonen berichtet. Zwei eigene Fallbeispiele werden diskutiert. Drei Besonderheiten von Frauen mit Störungen der Fruchtbarkeit werden besprochen: die fehlende Differenzierung von Leben und Tod, die persistierende Fusion mit der Mutter in einer zweidimensionalen Beziehung sowie die Auflösung der die Fruchtbarkeit blockierenden Kontrolle durch einen gelungenen psychoanalytischen Prozess.
Schlüsselwörter: Fruchtbarkeitsmarkt, medizinisch assistierte Befruchtung, Psychotherapie, IVF-Kinder, IVF-Eltern.